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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt
Autoren: Timon Schlichen Majer
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»Erzähl ich dir vielleicht mal. Aber heute wollen wir Spaß haben, oder nicht?«
    Â»So heißt es«, sagte Jo.
    Nadeschda blickte sie fragend an.
    Â»Na, die Leute, die auf Partys gehen, die sagen das doch immer, dass sie da hingehen, um Spaß zu haben.«
    Â»Und du?«
    Jo zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Mein Mitbewohner hat mich hergeschleift. Ich war seit meiner Zeit in der Klinik auf keiner Party mehr.«
    Nadeschda nickte. »Muss schwer gewesen sein.«
    Â»Was?«
    Â»Drogenentzug. Oder?«
    Â»Lass uns von was anderem reden«, bat Jo.
    Â»Ok.« Nadeschda sog die Nachtluft ein, und Jo hatte den Eindruck, dass sie erleichtert schien. Aber sie war froh, dass Nadeschda nicht weiter nachbohrte, sie wusste bereits viel zu viel. Sie wunderte sich, warum sie jemandem, den sie gar nicht kannte, so viel von sich erzählte. Aber da war etwas in Nadeschdas Augen, das sie faszinierte und sie Vertrauen fassen ließ. Ihre Augen versprühten Lebensfreude. Etwas, das Jo schon lange nicht mehr kannte. Aber nicht nur das. In ihnen lag auch eine tiefe Trauer. Jo hatte einen Blick für so etwas, damit kannte sie sich aus.
    Â»Mir wird langsam kalt«, sagte Nadeschda. »Wollen wir wieder reingehen?«
    Jo seufzte. Ihr gefiel es hier draußen, nur sie und Nadeschda alleine, ohne die vielen Menschen, die nichts als Spaß haben wollten.
    Â»Wir können auch was anderes machen«, sagte Nadeschda, nachdem Jo keine Anstalten machte, sie zu begleiten. »Da vorne gibt’s ne kleine Kneipe, die kenn ich, da ists gemütlich.«
    Â»Ich würd gern nach Hause«, sagte Jo. »Ich bin müde.«
    Bist du doch gar nicht!
    Sei still.
    Â»Wo wohnst du?«
    Â»Kiez.«
    Nadeschda hob die Augenbrauen. »Und da willst du jetzt alleine hin? Mitten in der Nacht?«
    Â»Ich wohn da. Was soll ich machen.«
    Â»Ich begleite dich.« So wie Nadeschda es sagte, duldete sie keinen Widerspruch.
    Jo zögerte. Sie wusste ganz genau, was dann kam. Sie würde sich schwertun, Nadeschda abzuweisen. Sie hatte auch schon daran gedacht, Nadeschda mit zu ihr nach Hause zu nehmen. Aber sie verwarf den Gedanken ebenso schnell wieder, wie er gekommen war. Sie war noch nicht bereit dafür. Jetzt noch nicht. Vielleicht auch nie. Die Signale, die Nadeschda aussandte waren eindeutig, und Jo hatte sich soweit darauf eingelassen wie sie konnte. Aber sie fürchtete sich vor dem nächsten Schritt wie ein Kind, das zum ersten Mal ins Wasser springen muss.
    Â»Ok«, sagte sie dennoch. »Aber nur begleiten. Ich möchte heute alleine in meinem Bett schlafen.«
    Nadeschda hob unschuldig die Hände. »Nur begleiten.«
    Â»Ich mein es ernst«, betonte Jo.
    Â»Ich auch«, erwiderte Nadeschda.
    Auf dem Nachhauseweg spielte Jo mit dem Gedanken, Nadeschda doch mit zu sich in die Wohnung zu nehmen. Nur einen Kaffee. Aber die Angst, sich dann richtig zu verlieben, war übermächtig und ließ sie kaum mehr atmen. Sie wünschte sich daher nichts sehnlicher, als dass Nadeschda schnell wieder verschwinden möge.
    Â»Also …« Jo stand auf der Stufe vor ihrer Haustür und blickte zu Nadeschda hinab. »War n schöner Abend.«
    Â»Fand ich auch«, sagte Nadeschda. »Sollen wir unsere Telefonnummern austauschen?«
    Nein, bitte nicht, dachte Jo und nickte dabei. Sie rieben ihre Telefone aneinander und es machte zweimal pling.
    Â»Ich meld mich bei dir, ja?«, sagte Nadeschda.
    Jo nickte noch einmal. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Komm mit rein!, schrie es in ihr. Nein, geh bitte nach Hause, schnell, jetzt, sagte eine andere Stimme. Zuviele Gedanken und Gefühle schossen gleichzeitig in ihr umher und versuchten, die Oberhand zu gewinnen.
    Nadeschda drückte Jo einen Abschiedskuss auf die Wange und wandte sich zum Gehen. Nach nur zwei Schritten drehte sie sich aber noch einmal um und schaute Jo mit einem Lächeln an. »Schön, dich kennengelernt zu haben«, sagte sie mit einer Stimme, die Jo fast schwach werden ließ.
    Â»Dich auch.« Jo schloss schnell die Tür auf und trat halb unter den Türrahmen. »Tschüss«, sagte sie, versuchte ein Lächeln, das hoffentlich nur ein Lächeln war und keine verzerrte Grimasse, die verriet, wie es in ihr gerade aussah, trat ganz in den Hausflur und zog die Tür hinter sich zu. Sie seufzte und schloss die Augen. Nach einigen Atemzügen stürzte sie sich wieder
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