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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt
Autoren: Timon Schlichen Majer
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Auf meine Rechnung!« Er breitete die Arme aus wie ein freigiebiger Gönner. »Na? Was sagste.«
    Jo seufzte. Kevin etwas abzuschlagen war nahezu unmöglich. »Ich hab aber gar nichts zum Anziehen.« Ein halbherziger Versuch.
    Â»Boh!« Kevin fasste sich an den Kopf. »Das ist die älteste und schlechteste Ausrede, die es gibt. Die gilt nicht! Du siehst gut aus, so wie du bist. Du könntest auch in einem Sack gehen, und trotzdem wärst du die Schönste von allen.«
    Â»Depp.« Jo kämpfte sich aus dem Schneidersitz hoch.
    Â»Wer ein Student sein will, muss auch feiern können«, rief ihr Kevin hinterher, als sie im Bad verschwand, um sich etwas frisch zu machen.
    Â»Ja ja.« Jo ärgerte sich, dass sie sich mal wieder zu etwas überreden ließ, das sie nicht wollte. Lange würde sie nicht bleiben, nahm sie sich vor. Nur so lange, bis Kevin zufrieden war und endlich Ruhe gab. Cocktail trinken, dumm in die Gegend grinsen, ab nach Hause.
    Früher, als sie noch zur Schule ging, da hatte sie feiern können – bis der Arzt kam. Aber das war lange vorbei. Das war vor der Klinik, das war vor allem anderen. Für sie war das vor einem Jahrhundert, in einem anderen Leben. Eben vor jener Zeit in der Klinik, wo sie lernen musste, ohne Drogen und ohne Alkohol auszukommen. Bisher war ihr das gut gelungen, auch weil sie in Kevin stets eine große Hilfe hatte. Auch wenn er manchmal nervte und sie ihn am liebsten auf den Mond wünschte, war sie doch froh, dass es ihn gab. Allerdings hatte er sie noch nie gezwungen, mit auf eine der vielen Partys zu gehen, auf denen er sich herumtrieb. Dass sie ohne Drogen leben konnte, verdankte sie auch der Tatsache, dass sie seit ihrem Klinikaufenthalt alles gemieden hatte, wo es dieses Zeug gab und wo jeder zu denken schien, alles mögliche in Rekordzeit vernichten zu müssen, in dem sie es sich in die Kehlen schütteten, in die Nasen schnupften oder in die Lungen sogen. Sie hoffte, dass Kevin wusste, was er da tat.
    Jo betrachtete die schlafende Schönheit an ihrer Seite. Nadeschda. An diesem Morgen war sie Kevin dankbar, dass er sie mit auf diese Party geschleppt hatte.
    Kaum auf der Uniparty angekommen, drückte Kevin ihr den versprochenen Cocktail in die Hand, sagte, er müsse kurz nach was sehen, verschwand in der tanzenden und schwitzenden Menge und ließ Jo einfach stehen. Prima. Sie war noch damit beschäftigt, sich auszudenken, was sie Kevin am besten an den Kopf warf, als sie die schwarzhaarige Frau erblickte, die mitten in der Halle stand, die in Teilen eher einem Palast als einer Uni glich. Die Frau blickte über die Feiernden hinweg und lächelte, als ob sie das alles gar nichts anginge. Ihre Blicke trafen sich und Jo spürte einen Stich, der in sie fuhr, die Hitze, die in ihr aufwallte und ihren Herzschlag, der sich für drei oder vier Schläge beschleunigte. Dieses Gefühl kannte sie. Von früher. Genau so war es, als sie sich das erste Mal verliebt hatte.
    Jo senkte schnell ihren Blick und nahm einen großen Schluck aus ihrem Cocktail, um sich abzukühlen. Sie schielte über das Glas hinweg zu der Frau hinüber. Sie schaute immer noch her. Und lächelte. Jo drehte sich weg und ging eilig auf den Ausgang zu. Flucht war das einzige, was jetzt half. Aber die Frau war schneller, stand mit einem Mal vor ihr und versperrte ihr den Fluchtweg. Sie lächelte noch immer und sagte mit fröhlicher Stimme hallo.
    Jos Herz pochte ihr im Hals. Sie sagte nichts, wollte sich vorbeidrängen, aber ihr Blick klebte an den schwarzen Augen der Frau fest. Wahrscheinlich sehe ich jetzt aus wie eine Psychopathin. Starrer Blick, Strohhalm im Mund, obwohl das Glas leer ist. Hoffentlich denkt sie das, dann geht sie vielleicht. Gott, ist die schön. Wie Schneewittchen. Und ich ihre Zwergin … Die Frau lächelte weiter, war nicht davon abzubringen, und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Jos Knie wurden weich.
    Â»Hey, ich bin Nadeschda«, sagte Schneewittchen. »Ist dir auch so heiß?«
    Jo nickte, den Strohhalm im Mund, ihre Augen auf die Schneewittchens geheftet.
    Â»Dann lass uns kurz rausgehen. Lust?«
    Jo nickte wortlos und folgte der Frau zur Tür hinaus auf den Hof, wo sie eine frische Briese Nachtluft empfing. Nadeschda breitete ihre Arme aus, warf ihren Kopf in den Nacken und atmete lautstark die Nachtluft ein. Jo beobachtete sie dabei, ohne das Cocktailglas
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