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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt
Autoren: Timon Schlichen Majer
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abzustellen oder den Strohhalm aus ihrem Biss zu entlassen. Ihr wurde immer heißer, obwohl die Nachtluft alles dafür tat, sie abzukühlen.
    Â»Jo«, brachte sie schließlich heraus.
    Nadeschda blickte sie fragend an.
    Â»Jo«, wiederholte sie, »so heiß ich.«
    Nadeschda lachte und sagte: »Sie kann sprechen! Bin ich froh.« Sie legte theatralisch eine Hand auf ihre Brust. Jos Blick folgte ihr und blieb kurz in dem tief ausgeschnittenen Dekolleté hängen. Augenblicklich fing sie zu schwitzen an und riss ihren Blick weg. Sie merkte, wie sie rot anlief.
    Â»Willst du was trinken?« Nadeschda lächelte sie so an, dass Jo noch heißer wurde. Hör auf zu lächeln, sonst zerschmelze ich hier und jetzt.
    Â»A … Apfelsaft«, sagte Jo.
    Nadeschda lachte wieder. Ein schöner Name. Russisch oder so. So schön wie ihr Lachen. Sie betrachtete Nadeschda und versuchte, sich diese Szene genau einzuprägen. Hätte sie jetzt eine Kamera dabei, sie hätte sie aufgenommen. Wie Nadeschda leicht ihren Kopf beim Lachen hob und dabei ihren schlanken hellen Hals zeigte, wie ihre Augenlider dabei über ihre dunklen Augen klappten, wie einzelne Strähnen ihrer kohlschwarzen Haare über ihr blasses Gesicht fielen, wie sich die roten Lippen leicht öffneten und die weißen Zähne hervorblinkten. Gott, wie schön manche Menschen doch sein konnten. – Im Gegensatz zu dir, haha.
    Nadeschda fragte etwas und Jo schreckte aus ihren Gedanken, als Nadeschda versuchte, ihr das Cocktailglas aus der Hand zu nehmen. Ich hab bestimmt wieder gestarrt. Ein Grund mehr für Nadeschda zu denken, es mit einer Irren zu tun zu haben.
    Â»Was?«, fragte Jo.
    Nadeschda lachte abermals. »Gib mir dein Glas, ich hol uns was.«
    Â»Ach so.« Jo ließ ihr Glas los und Nadeschda wandte sich zum Eingang, drehte sich aber noch einmal um und fragte: »Mit was drin oder pur?«
    Â»Sprudel«, sagte Jo.
    Â»Ich dachte eigentlich an etwas Spritzigeres.« Nadeschda leckte sich über die Lippen.
    Â»Ich trinke keinen Alkohol«, sagte Jo.
    Nadeschda hob daraufhin eine Augenbraue. Und Jo wusste nicht einzuschätzen, ob dies nun bewundernd oder verwundert gemeint war. Normalerweise war ihr das egal. Aber jetzt gerade seltsamerweise nicht. »Ich war ein Junkie«, erklärte sie, »monatelang in der Klinik, bin clean, und will das auch bleiben.« Jo erschrak über sich selbst. So direkt hatte sie das noch niemandem auf die Nase gebunden, schon gar niemandem Fremden.
    Â»Cool«, sagte Nadeschda. »Ich hol dir ein Apfelschorle. Ja? Und du wartest schön hier. Nicht weglaufen!«
    Cool. Jo nickte und blickte Nadeschdas Apfelpo hinterher, der gerade in der Tür verschwand. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, die Flucht zu ergreifen. Abhauen, weit weg, am besten sogar die Uni wechseln. Aber Jo blieb stehen und wartete, bis Nadeschda wieder zurückkehrte.
    Â»Zwei Apfelschorle.« Sie drückte Jo ein Glas in die Hand. Die bedankte sich artig und sie stießen an.
    Â»Was studierst du?«, wollte Nadeschda wissen und Jo war froh, dass sie nicht selbst das Gespräch in Gang bringen musste. Ihr wäre außer Starren und Apfelschorle trinken nichts eingefallen.
    Â»Psychologie. Und du?«
    Â»Germanistik und Slawistik.« Nadeschda nahm einen Schluck aus ihrem Getränk.
    Â»Bist du Russin?«, fragte Jo.
    Â»Wegen meinem Namen?« Nadeschda lachte. »Nein. Den hab ich meinen Eltern zu verdanken. Die hatten damals so einen Russlandfimmel. Ich bin keine Russin, mag aber das Land. Deswegen studier ich das auch. Vielleicht wandere ich ja auch mal aus. Und warum studierst du Psychologie?«
    Â»Um mich selbst zu therapieren«, sagte Jo.
    Nadeschda stutzte, und Jo fügte erklärend hinzu: »Ich war in den letzten Jahren in so vielen Therapien, und keine davon war wirklich gut, darum dachte ich, das jetzt selbst in die Hand nehmen zu müssen.«
    Â»Und, schon bereut?«
    Â»Keine Ahnung. Ich langweile mich zu Tode.«
    Â»Ich war auch mal in Therapie«, sagte Nadeschda.
    Â»Warum?« Jo konnte sich nicht vorstellen, warum eine solche Frau überhaupt eine Therapie nötig hatte. Sie machte auf sie einen starken und selbstbewussten Eindruck.
    Â»Entschuldige«, sagte Jo, nachdem Nadeschda zunächst schwieg. »Geht mich ja nichts an.«
    Â»Nein, nein, schon ok.« Und nach einer Pause fügte sie hinzu:
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