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Asche und Schwert

Asche und Schwert

Titel: Asche und Schwert
Autoren: J. M. Clements
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versammelten Krieger. Die wenigen Übungs kämpfe, die bereits begonnen hatten, fanden ein abruptes Ende, denn die Männer verstanden den Hinweis und hielten inne, um ihm zuzuhören.
    Drago schob die Hände in die Hüften. Er stand am Rand der Klippe, die den Übungsplatz des ludus gladiatoris auf der einen Seite begrenzte. Das weitläufige, offene Gelände bot eine verlockende Aussicht auf die Freiheit – wenigstens für jemanden, der sich, wie ein zweiter, glücklicherer Ikarus, haltbare Flügel hätte verschaffen können. Für die gewöhnlichen Sterblichen war der Abgrund nur eine weitere Begrenzung, ein lee rer Raum, durch den man in den sicheren Tod stürzen würde und der die Aussicht auf die wolkenumhüllten Berge Campaniens bot, die den Schimmer ferner Stürme ahnen ließen.
    Â»In den besten Arenen spannen sich Segel über die Zu schauerränge«, sagte Drago mit bellender Stimme. »Sie verhindern, dass die Sonne zu heftig auf die edlen Zuschauer niederbrennt. Wenn das Wetter schlecht ist, schützen dieselben Segel die Gesichter der Menge vor dem Regen. Der editor  – der Veranstalter der Spiele, der die Einnahmen eines ganzen Jahres investiert hat –, kann nicht einfach alles absagen, nur wegen ein bisschen Wasser, das vom Himmel fällt. Über den eigentlichen Kampfplatz ziehen sich keine Segel.«
    Â»Drago«, sagte Varro in demütigem Ton.
    Doch der war noch nicht fertig.
    Â»Ein Gladiator kämpft bei jedem Wetter. Er muss auf alle Bedingungen vorbereitet sein, ganz wie es die Laune des Veranstalters verlangt.« Dragos Stimme entfaltete ihre ganze dröhnende Kraft. »Wenn der Veranstalter verlangt, dass ihr auf Stelzen kämpft, dann werdet ihr auf Stelzen kämpfen. Wenn der Veranstalter verlangt, dass ihr euch wie Götter oder Heroen kleidet, dann werdet ihr euch als Götter oder Heroen kleiden und eure Rollen spielen. Wenn der Veranstalter wünscht, dass die Spiele im Winter an einem Berghang abgehalten werden, dann werdet ihr auf Eis und im Schnee kämpfen. Ist das klar?«
    Â»Jawohl!«, riefen die Männer wie aus einer Kehle.
    Â»Der Veranstalter wünscht neue Sensationen und Spektakel. Er fordert Waffen und Gegner, die nicht zueinander passen. Das Haus Batiatus leitet diese Spiele nicht. Das Haus Batiatus vermietet euer Fleisch an jeden Veranstalter, der bereit ist, den entsprechenden Preis dafür zu bezahlen. Und es bereitet euch auf den Sieg vor. Ein Gladiator ist auf alle Umstände vorbereitet, denn wenn er das nicht ist, wird er ehrlos sterben . Ist das klar?«
    Â»Jawohl!«
    Â»Dann kämpft!« Um seine Worte zu bekräftigen, ließ Drago die Peitsche knallen. Die Lederspitze zischte nur wenige Handbreit neben Varros blonden Locken durch die Luft. Erneut erklang überall das Geräusch von Holz, das auf Holz krachte, während Spartacus gelassen abwartete.
    Mit einem Knurren stürmte Varro auf ihn zu. Spartacus blieb völlig ungerührt, während der stämmige Römer immer näher kam.
    Plötzlich wandte sich der Thraker in eine andere Richtung, beugte sich seitlich von Varro weg und hieb auf einen unsichtbaren Gegner ein. Durch seinen Ausfallschritt hob sich Spartacus’ Schildarm Varro entgegen, während sein Schwert seitlich ins Leere stach.
    Varro konnte nicht mehr nach links ausweichen; die Bewegung hätte ihn direkt in Spartacus’ Schwertspitze laufen lassen. Stattdessen versuchte er, seinen Schwung abzubremsen, wobei er schräg gegen den Schild des Thrakers stieß, während Spartacus herumwirbelte und den Arm hob.
    Varro wurde von den Beinen gerissen, landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Rücken und schnappte mühsam nach Luft.
    Spartacus sprang nach vorn und stieß mit seinem Schwert zu, dessen Spitze nur eine Daumenbreite entfernt von Varros Kehle in der Luft verharrte. Der Kampf war vorüber, noch bevor er richtig begonnen hatte.
    Lachend hob Varro zwei Finger zum Zeichen seiner Niederlage, und die beiden Männer warteten auf das imaginäre Signal des im Augenblick noch nicht vorhandenen Publikums. Sie sahen hinauf zum Balkon, wo eine einsame Gestalt, deren Robe in der Brise flatterte, regungslos verharrte.
    An einem besseren Tag hätte Batiatus’ Ehefrau Lucretia das Zeichen für die manumissio gegeben. Doch obwohl sie die beiden Männer unverwandt anstarrte, nahm sie sie überhaupt nicht
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