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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix
Autoren: Kai Meyer
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lediglich, dass die halbe Welt dabei zusah. Sie löste ihre Lippen von seinen und warf einen Blick zu den Fotografen am Ufer. Die Teleobjektive starrten zurück, im Sonnenschein funkelnd.
    Epiphany hatte ihrer Agentin den Koffer abgenommen und zog ihn neben sich her, während sie mit der Frau näher kam. Als die beiden Ash und Parker erreichten, eilte Brunello unter viel Hallo herbei und küsste die Agentin auf die Wangen. Er zog den Koffer an Bord, so als gäbe es für ihn keine größere Freude, als mit den beiden Frauen in See zu stechen. Ash überraschte das kein bisschen: Gewiss hatte es Epiphany nur ein Lächeln gekostet, ihren Willen durchzusetzen.
    Die Agentin war eine dieser alterslosen Frauen, die man durch die Schaufenster von Designerläden beim Handtaschenkauf beobachten konnte. Schön genug, um selbst eine Schauspielerin zu sein, dabei vermutlich so gerissen wie Royden Cale zu seinen besten Zeiten. Aber ihre Schönheit ließ sich nicht greifen. Für sich genommen waren ihre Augen durchschnittlich, ebenso ihr Mund und ihr blondes Haar. Weniger auffällig zurechtgemacht würde sie mit jeder Menschenmenge verschmelzen, ohne dass sich irgendwer nach ihr umdrehte.
    »Kennt ihr euch?«, fragte Epiphany und ließ Ash außen vor.
    Parker und die Agentin sahen einander an. »Nein«, sagte er und sie fügte hinzu: »Wir hatten noch nicht das Vergnügen.«
    Ash hatte mit einem Mal das Gefühl, sie müsste ihn auf der Stelle von hier fortzerren.
    Epiphany stellte die beiden einander vor, aber Parker ignorierte die Hand, die ihm die Frau entgegenstreckte.
    »Mein Beileid«, sagte sie.
    Er nickte stumm.
    »Verzeihen Sie, falls das der falsche Augenblick ist«, fuhr sie fort, »aber das Boot legt gleich ab, darum … Epiphany hat erwähnt, dass bislang Ihr Vater alles Geschäftliche für Sie geregelt hat. Falls Sie in Zukunft einen Agenten benötigen, würde es mich freuen, wenn wir uns mal unterhalten könnten.«
    Das Phoenix-Hawthorne-Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns über die Konditionen einig würden.«
    Epiphany berührte ihre Agentin fast zärtlich an der Hand und sagte zu Parker: »Ich kenne niemanden, der einem so verlässlich Erfolg verschafft wie sie.«
    Er lächelte noch immer. »Das glaube ich gern.«
    Die Augen der Agentin blitzten. »Überlegen Sie es sich. Ganz bestimmt laufen wir uns bald wieder über den Weg.«
    Damit ergriff sie die Hand ihres Schützlings und ging an Bord. An der Reling drehte Epiphany sich noch einmal um, sah aber nicht Parker an, sondern Ash. Ihr Gesichtsausdruck wurde für einen Moment ganz weich, fast kindlich. »Wir beide haben das ziemlich gut hinbekommen, oder?«
    »Ja«, sagte Ash, »ich glaube schon.«
    Kurz darauf legte die Jacht ab. Epiphany winkte.
    Parker nickte ihr zu, während Ash den Blick nicht von Epiphanys Hand lösen konnte. Eine dünne Narbe führte vom Daumen bis zum Gelenk.
    Die Agentin lächelte noch einmal. Als sie sich umwandte, dem Bug und der offenen See entgegen, hatte Ash ihr Gesicht bereits vergessen.

Abspann

 
    Lucien hatte sie nach Lyon eingeladen; sie sollten bleiben, solange sie mochten. Auf dem Weg dorthin nahmen sie nicht die Autobahn, sondern erneut die gewundene Straße am Meer entlang.
    Auf der Corniche de l’Esterel passierten sie die Ruine von Le Mépris. Parkers Haus auf der Landzunge war ausgebrannt, der Dachstuhl ein Gerippe aus verkohlten Balken. Das Tor zur Einfahrt stand offen, die Feuerwehr musste es aufgebrochen haben. Noch in Monaco hatte Parker herausgefunden, dass es bislang nicht gelungen war, ihn als Besitzer des Gebäudes zu identifizieren. Offenbar waren bei den Löscharbeiten keine menschlichen Überreste entdeckt worden; der Polizeibericht besagte, das Haus sei verlassen gewesen. Wahrscheinlich hatten Libatique und Cale Godfreys Leiche ins Meer geworfen, wo sie von ablandigen Strömungen fortgetragen worden war. Alle übrigen Spuren waren vom Feuer zerstört worden.
    Ash und Parker fuhren weiter auf der Küstenstraße nach Südwesten, denselben Weg zurück, auf dem sie einige Tage zuvor gekommen waren. In Saint-Tropez nahmen sie die D558 und fuhren hinauf in die Berge des Massif des Maures.
    Unterwegs hörten sie in den Nachrichten, dass Kenneth Levi tot in seinem verwüsteten Studio aufgefunden worden war. Angeblich waren Einbrecher in seine Villa auf Cap Ferrat eingedrungen, hatten blindwütig randaliert und den alten Mann getötet. Auf welche Weise, behielt die
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