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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix
Autoren: Kai Meyer
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Polizei für sich. Man verdächtigte Mitglieder einer Bande, die seit Monaten in der südlichen Provence und an der Küste ihr Unwesen trieb. Sie brachen in Luxusvillen ein, stahlen nie etwas, richteten nur Zerstörungen an und misshandelten die Besitzer. Levi war das erste Opfer, das den Angriff nicht überlebt hatte.
    In Monte Carlo hatte Parker eine Pistole gekauft. Ash fragte nicht, woher er wusste, wie man das anstellte. Sie hatte schon Probleme, einen Laden mit Tampons zu finden, wenn es darauf ankam.
    Als sie bei La Garde-Freinet nach Osten abbogen, zeigten sich die ersten Spuren der Waldbrände. Bald war alles mit einem grauen Schleier überzogen. Das Laub hatte die Farbe des Asphalts angenommen, die Bäume sahen aus wie Geister ihrer selbst. Die Feuer waren gelöscht worden, aber der Gestank von verkohltem Holz hing schwer und bedrückend über den Bergen. Parker sagte, es könne noch Monate dauern, ehe der Landstrich nicht mehr wie ein Scheiterhaufen rieche.
    Nach wenigen Meilen ging der Wald in eine unwirkliche Mondlandschaft über, ein Auf und Ab nackter Bergflanken, übersät von verkohlten Baumstämmen ohne Astwerk, schwarz wie die Stacheln eines Seeigels. Nie und nimmer hätte Ash das Tal wiedererkannt, durch das sie vor nicht mal einer Woche zur Villa der Cales gelaufen war. Stinkender Dunst hing zwischen den Bergen wie Nebel. Alle Feuernester mochten erloschen sein, aber der Staub schien die Rückkehr zum Boden zu scheuen und bildete eine dichte Schicht, unter der die Trümmer der Villa nur zu erahnen waren.
    Vor der Abfahrt zum Anwesen hatte jemand eine rot-weiße Blockade beiseitegeschoben. Aber sie hatten gar nicht vor, die Ruine zu besuchen. Stattdessen fuhren sie ein Stück weiter und hinterließen tiefe Reifenspuren in der Asche auf dem Asphalt. Niemand kam ihnen entgegen, keiner war hinter ihnen.
    Der Pfad den Berg hinauf war kaum zu erkennen, zu beiden Seiten waren die Korkeichen zu Stümpfen heruntergebrannt. Sie ließen den Wagen am Straßenrand stehen und machten sich an den Aufstieg. Die Rinne aus Lehm hatte sich mit zähem grauem Schlamm gefüllt, einer zementartigen Masse aus Erdreich und Löschwasser, die sich einen Weg den Berg herab gesucht hatte. Unterwegs war sie erstarrt, aber noch nicht vollkommen ausgehärtet. Die Oberfläche war glatt, niemand war vor ihnen diesen Weg gegangen.
    Der Anblick der tristen Landschaft legte sich auf Ashs Gemüt. Nach den ersten Schritten brach sie das Schweigen.
    »Kein Mensch verliebt sich ernsthaft in einen Filmstar«, sagte sie, während sie durch die Einöde stapften. »Man schwärmt für ihn. Man hängt sich Poster auf. Man denkt mal unter der Dusche an ihn. Aber Liebe? Das mit uns dürfte niemals funktionieren.«
    Er lächelte. »Hilft es, wenn wir wieder zusammen duschen?«
    »Diese Geschichte zwischen uns müsste enden, wie sie begonnen hat. In der Realität. So sieht’s aus.«
    »Bist du jetzt fertig?«
    »Nein. Weil du wissen sollst, dass ich mich der Realität einfach verweigere. Das hier ist wie eine Rakete, die einmal gestartet ist und jetzt die Atmosphäre verlässt. Die Wirklichkeit verlangt, dass sie irgendwann wieder am Boden aufsetzt und alles so ist wie zuvor. Aber ich will immer weiter fliegen, höher hinauf zu den Sternen, so schnell und so weit es nur geht.«
    »Das will ich auch. Und wir fliegen ja längst. Wenn du dich umdrehst, kannst du die Erde nicht mehr sehen.«
    Da blieb sie stehen, schmiegte sich an seine Brust und küsste ihn. Er schmeckte nach Asche, genau wie sie.
    Wenig später erreichten sie die Bergkuppe. Auch hier hatten rundum die Bäume gebrannt. Eichen und Kakteen hatten sich zu schwarzen Knochenhänden verkrümmt. Das Buschwerk auf dem Plateau war verschwunden, Felsbuckel erhoben sich über Verwehungen aus Staub.
    Das Mondhaus stand unversehrt im Zentrum des Plateaus und blickte über das verwüstete Tal. Inmitten dieser unirdischen Szenerie gewann sein Name eine doppeldeutige Wahrheit. Die Bruchsteinmauern und Efeuranken waren grau, aber das Gebäude hatte nicht gebrannt. Vor dem diesigen Himmel erschien es wie eine Sepiafotografie jenes Ortes, den Ash noch vor Tagen in Farbe betreten hatte.
    Wolken aus Rußpartikeln rieselten herab, als sie sich einen Weg durch die Ranken vor der Haustür bahnten. Das vertrocknete Laub, das den Boden im Erdgeschoss schon vor einer Woche bedeckt hatte, war jetzt mit Staub vermischt, der ihre Schritte dämpfte. Ash war bei ihrem ersten Besuch nur oben im ersten Stock
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