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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George
Autoren: Julian Barnes
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Zeche heißt, und dort kommen die Kohlen im Kamin her. Er weiß nicht recht, ob er die Kohlen mag. Sie riechen und stauben und machen Geräusche, wenn man sie schürt, und von ihren Flammen soll man sich fernhalten; obendrein werden sie von großen, grimmigen Männern mit bis auf den Rücken reichenden Lederhauben ins Haus gebracht. Wenn die Außenwelt den Türklopfer betätigt, bekommt George gewöhnlich einen Schreck. Alles in allem würde er lieber hier drinnen bleiben, bei der Mutter, bei seinem Bruder Horace und der neugeborenen Schwester Maud, bis es an der Zeit ist, zu seinem Großonkel Compson in den Himmel zu fahren. Aber das ist wahrscheinlich nicht erlaubt.

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Arthur
    Sie zogen ständig um: ein halbes Dutzend Mal in Arthurs ersten zehn Lebensjahren. Die Wohnungen schienen immer kleiner zu werden, während die Familie größer wurde. Außer Arthur gab es noch seine ältere Schwester Annette, die jüngeren Schwestern Lottie und Connie, den kleinen Bruder Innes und später dann die Schwestern Ida und Julia, genannt Dodo. Sein Vater konnte zwar gut Kinder zeugen – es gab noch zwei weitere, die nicht am Leben geblieben waren –, aber nicht für sie sorgen. Diese frühe Erkenntnis, dass sein Vater die Mama nie mit den gehörigen Annehmlichkeiten des Alters umgeben würde, trug noch zu Arthurs Entschlossenheit bei, sich selbst darum zu kümmern.
    Sein Vater stammte – der Herzöge von Brittany ungeachtet – aus einer Künstlerfamilie. Er hatte Talent und ein instinktives Gespür für die Religion, doch er war reizbar und von schwacher Konstitution. Mit neunzehn war er aus London nach Edinburgh gezogen; als Inspektorengehilfe im schottischen Bauamt geriet er in allzu jungen Jahren in eine Gesellschaft, die zwar fröhlich, aber oft auch raubeinig und trinkfreudig war. In der Behörde kam er so wenig voran wie in der lithographischen Anstalt George Waterman & Sons. Er war ein sanfter Versager mit einem weichen Gesicht hinter einem weichen Vollbart; er nahm Pflichten nur von ferne wahr und hatte seinen Lebensweg verloren.
    Er wurde nie gewalttätig oder aggressiv; er war ein Trinker der sentimentalen, freigebigen, selbstmitleidigen Art. Oft wurde er, in seinen Bart sabbernd, von Droschkenkutschern nach Hause gebracht, die mit ihrem Beharren auf Bezahlung die Kinder weckten; am nächsten Morgen erging er sich dann in weinerlichen Klagen über seine Unfähigkeit, für die innig geliebte Familie zu sorgen. Arthur wurde irgendwann in Logis gegeben, damit er kein weiteres Stadium des väterlichen Verfalls miterleben musste; doch er hatte genug gesehen, um sein keimendes Verständnis davon zu untermauern, was ein Mann sein konnte und sein sollte. In den Erzählungen seiner Mutter von Rittertum und Liebe gab es nur wenig Platz für betrunkene Illustratoren.
    Arthurs Vater malte Aquarelle und hatte stets die Absicht, sein Einkommen durch den Verkauf seiner Werke aufzubessern. Doch dann kam immer wieder seine Großzügigkeit dazwischen; er verschenkte seine Bilder an alle und jeden oder nahm höchstens ein paar Pence dafür an. Seine Sujets waren bisweilen wild und furchterregend und zeugten oft von seinem angeborenen Humor. Sein Lieblingsmotiv aber, das anderen am nachdrücklichsten in Erinnerung blieb, waren Elfen.

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George
    George wird in die Dorfschule geschickt. Er trägt einen gestärkten Umlegekragen mit einer lockeren Halsschleife über dem Kragenknopf, eine Weste, die bis eben unter die Schleife geknöpft wird, und eine Jacke mit hohen, fast schon waagerechten Revers. Andere Jungen sind nicht so adrett gekleidet: Manche tragen raue, selbst gestrickte Pullover oder schlecht sitzende Jacken, die sie von ihren älteren Brüdern geerbt haben. Einige wenige haben gestärkte Kragen, aber nur Harry Charlesworth trägt eine Schleife wie George.
    Seine Mutter hat ihm die Buchstaben beigebracht, sein Vater ein bisschen Rechnen. In der ersten Woche muss er in den hinteren Reihen der Klasse sitzen. Am Freitag wird man die Schüler prüfen und je nach Intelligenz umsetzen: Die gescheiten Jungen sitzen dann vorn, die dummen hinten; wer gut lernt, wird mit größerer Nähe zum Lehrer, zur Quelle der Unterweisung, zum Wissen, zur Wahrheit belohnt. Dies alles verkörpert Mr Bostock, der ein Tweedjackett trägt, eine wollene Weste und einen Hemdkragen, dessen Spitzen mit einer goldenen Nadel hinter der Halsbinde festgesteckt sind. Mr Bostock geht nie ohne einen braunen Filzhut aus, und während des Unterrichts legt
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