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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George
Autoren: Julian Barnes
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nicht. Kannst du uns sagen warum?«
    »Nein.«
    »Bringt Mister Bostock euch das Rechnen anders bei?«
    »Nein, Vater.«
    »Gibst du dir keine Mühe mehr?«
    »Doch, Vater. Im Buch kann ich rechnen, aber an der Tafel nicht.«
    »Charlotte, ich glaube, wir sollten mit ihm nach Birmingham fahren.«

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Arthur
    Arthur hatte Onkel, die den Verfall ihres Bruders sahen und Mitleid mit seiner Familie hatten. Sie kamen auf die Idee, Arthur nach England zu schicken, wo er von den Jesuiten unterrichtet werden sollte. Mit neun Jahren wurde er in Edinburgh in den Zug gesetzt und hörte nicht auf zu weinen, bis er in Preston ankam. Die nächsten sieben Jahre verbrachte er in Stonyhurst und kehrte nur sechs Wochen in jedem Sommer zu seiner Mutter und dem hin und wieder auftauchenden Vater zurück.
    Diese Jesuiten waren aus Holland herübergekommen und hatten ihren Lehrplan und ihre Züchtigungsmethoden mitgebracht. Der Unterricht umfasste sieben Ausbildungsklassen – Elemente, Figuren, Rudimente, Grammatik, Syntax, Poetik und Rhetorik –, die jeweils ein Jahr dauerten. Auf dem Lehrplan standen wie in jeder Internatsschule Geometrie, Algebra und die Klassiker, deren Wahrheiten durch emphatische Prügel Nachdruck verliehen wurde. Das dabei verwendete Instrument – ein Stück Gummi von der Größe und Dicke einer Stiefelsohle – war gleichfalls aus Holland herübergekommen und wurde Tolley genannt. Schon nach einem mit allem jesuitischen Eifer verabreichten Schlag auf die Hand schwoll die Handfläche an und verfärbte sich. Die übliche Strafe für größere Jungen bestand aus neun Schlägen auf jede Hand. Danach konnte der Sünder kaum noch den Türknauf der Studierstube drehen, in der er gezüchtigt worden war.
    Der Name Tolley, so erklärte man Arthur, rührte von einem lateinischen Wortspiel her. Fero , ich trage oder ertrage. Fero, ferre, tuli, latum . Tuli , ich habe ertragen, der Tolley ist das, was wir ertragen haben, ja?
    Der Humor war ebenso rau wie die Strafen. Auf die Frage, wie er seine Zukunft sehe, gestand Arthur, er denke daran, Baumeister zu werden.
    »Nun ja, in den Bau wirst du wohl gehen«, erwiderte der Priester, »aber ich glaube kaum, dass dadurch ein Meister aus dir wird.«
    Arthur entwickelte sich zu einem hochgewachsenen, ungestümen Jüngling, der in der Schulbibliothek Trost fand und auf dem Cricketplatz glücklich war. Einmal die Woche sollten die Jungen nach Hause schreiben, was für die meisten eine zusätzliche Strafe, für Arthur aber eine Belohnung war. In dieser Stunde schüttete er der Mutter sein Herz aus. Zwar mochte es Gott, Jesus Christus, die Bibel, die Jesuiten und den Tolley geben, doch die höchste Autorität, an die er glaubte und der er gehorchte, war seine kleine, Achtung gebietende Mama. Sie war Expertin auf allen Gebieten, von der Unterwäsche bis zum Höllenfeuer. »Trage Flanell auf der Haut«, riet sie ihm, »und glaube nicht an ewige Strafe.«
    Ohne es recht zu wollen, hatte sie ihm auch beigebracht, wie man sich beliebt macht. Er fing schon bald an, seinen Mitschülern die Geschichten von Rittertum und Liebe zu erzählen, die er erstmals unter einem erhobenen Porridgerührholz gehört hatte. An verregneten freien Nachmittagen stellte er sich auf ein Pult, und seine Zuhörer hockten sich um ihn herum. Eingedenk des Geschicks seiner Mama wusste er, wie man die Stimme senkt, wie man eine Geschichte in die Länge zieht, wie man bei einer gefahrvollen, unerträglich spannenden Stelle abbricht mit dem Versprechen, die Fortsetzung folge am nächsten Tag. Da er groß und hungrig war, nahm er eine Pastete als Grundpreis für eine Geschichte. Doch manchmal verstummte er auch jäh im spannendsten Moment einer Krise und konnte nur um den Preis eines Apfels zum Weitererzählen bewegt werden.
    So entdeckte er den inneren Zusammenhang zwischen Erzählung und Lohn.

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George
    Der Okulist rät bei kleinen Kindern von einer Brille ab. Die Augen des Jungen sollen sich mit der Zeit lieber auf natürlichem Wege regulieren. Bis dahin soll er in der Klasse vorne sitzen. George lässt die Bauernjungen hinter sich und wird neben Harry Charlesworth gesetzt, der bei allen Prüfungen regelmäßig als Bester abschneidet. Nun bekommt die Schule für George einen Sinn; er sieht, wohin Mr Bostocks Kreide sticht, und beschmutzt sich auf dem Heimweg nie wieder.
    Sid Henshaw schneidet weiter Grimassen, doch George nimmt das kaum wahr. Sid Henshaw ist nichts als ein dummer Bauernjunge, der nach Kuh
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