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Arsen und Apfelwein

Arsen und Apfelwein

Titel: Arsen und Apfelwein
Autoren: Andrea Habeney
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hat das Mädchen in der Botschaft gesehen.«
    Die Wiesner nickte wieder. »Als er eingebrochen ist. Ich nehme an, dass Sie davon auch wissen.«
    »Sie gehörten zu Divinitus.«
    »Ja, ich habe die Idee sogar mitentwickelt. Marc hat das Mädchen auf dem Gang gesehen. Sie weinte und hatte eine aufgeplatzte Lippe. Irgendwas ist da mit ihm passiert. Er war wie besessen von ihr.«
    »Woher wusste er, dass sie weggebracht wurde?«
    »Zufall.« Die Wiesner schüttelte den Kopf. »Verrückt. Sie haben sie ausgerechnet gerade dann ins Auto gebracht, als er vorfuhr. Das war das einzige Mal, dass er sie wiedergesehen hat.«
    »Und trotzdem hat er immer wieder vor der Botschaft gestanden …«
    Ramona Wiesner strengte das Gespräch jetzt sichtlich an. Sie nickte schwach. »Wie gesagt, er war besessen von ihr. Er wollte sie retten. Bis sein Vater eingegriffen hat.«
    In diesem Moment kam die Krankenschwester ins Zimmer und warf einen Blick auf ihre Patientin. »Sie müssen jetzt gehen!«, forderte sie Jenny energisch auf. »Das wird zu viel für Frau Wiesner.«
    Jenny stand auf, verabschiedete sich und wandte sich zum Gehen. Als sie einen Blick zurückwarf, sah sie, wie Ramona Wiesner ihr mit unbewegtem Gesicht nachblickte. Aus ihrem Auge löste sich langsam eine Träne.

    Im Büro setzte sich Jenny hinter ihren Schreibtisch und dachte nach. Dann recherchierte sie einige Zeit im Internet und runzelte dabei mehrfach die Stirn. Sie nahm den Hörer und telefonierte mit dem BKA in Wiesbaden. Anschließend schnappte sie sich eine Akte aus dem Schrank und blätterte darin. Abwesend starrte sie eine Zeit lang auf den Tisch. Nach einer Weile kramte sie in der Schreibtischschublade und suchte eine Magentablette. Ihr war übel.
    Ohne sich abzumelden, nahm sie Schlüssel und Jacke und ging zu ihrem Wagen.
    Sie parkte mitten in der Einfahrt und klingelte. Als ein Wachmann an den Zaun trat, blaffte sie ihn an. »Kommissarin Becker, ich möchte umgehend den Botschafter sprechen.«
    Der Mann sah sie erstaunt an. »Das wird ohne Termin nicht gehen.«
    Sie griff in die Innentasche ihrer Jacke. Der Mann erstarrte und griff nach seiner Waffe, doch sie zog einen Umschlag heraus. »Geben Sie das dem Botschafter. Sofort. Es ist wichtig für ihn.«
    Der Mann zögerte, drehte sich jedoch dann um und ging zum Haus. Er klopfte und reichte den Umschlag nach innen, als die Tür geöffnete wurde.
    Fünf Minuten später ging die Eingangstür wieder auf und eine junge Frau in Hausmädchenuniform kam heraus. Sie rief dem Wachmann etwas zu und er öffnete ihr die Tür. Jenny war sich nicht sicher, wer erstaunter war, er oder sie.
    Das Hausmädchen grüßte sie höflich und führte sie in das Büro, dass sie schon von ihrem ersten Besuch her kannte. Diesmal stand der Botschafter nicht auf, um sie zu begrüßen. Er saß hinter seinem Schreibtisch und starrte auf das Foto, das in dem Umschlag gewesen war. Sein Gesicht war grau. Jenny trat vor den Schreibtisch und griff abermals in die Tasche. Sie legte fünf weitere Fotos vor ihn hin.
    »Sie waren das!« Sie beugte sich aggressiv vor.
    Er sah auf. Seine Augen weiteten sich leicht. Herausfordernd starrte sie ihn an. Er hielt ihrem Blick nur kurz stand und sah wieder auf seinen Schreibtisch.
    Beide schwiegen eine lange Zeit. Kurz bevor Jenny die Geduld verlor, schüttelte er leicht den Kopf und fing an zu sprechen. »Haben Sie schon einmal geliebt, Frau Kommissarin? Ich meine richtig geliebt? Ohne Wenn und Aber?«
    Jenny ging nicht darauf ein. »Was tut das zur Sache?«
    Er sah aus dem Fenster, den Blick in weite Ferne gerichtet. »Meine Frau war das hübscheste Mädchen im Dorf. Das ärmste, aber das hübscheste. Ihre Familie hatte nichts von Wert, doch sie erschien mir als das Wertvollste, das ich je begehrt hatte. Ich habe sie gekauft und eine hohe Summe bezahlt, obwohl ich sie für ein Taschengeld bekommen hätte. Sie war stolz mich zu heiraten, und froh, aus dem Dorf wegzukommen, wo alle auf sie herabgesehen hatten. Ich habe nie aufgehört, sie zu lieben. Auch nicht, als ich festgestellt hatte, dass Schönheit der Gestalt nicht unbedingt mit Schönheit im Inneren einhergehen muss.«
    Als er längere Zeit schwieg, hakte Jenny nach. »Das Mädchen?«
    »Als sie es ins Haus gebracht hat, wusste ich nicht, dass es die jüngste Tochter der Familie war, die meine Frau als Kind am meisten gedemütigt hatte. Hätte ich es gewusst … nun, ich kann nicht sagen, ob das etwas geändert hätte. Es ist immer leichter,
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