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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie
Autoren: Wolfgang Detel
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Beschreibung »der einflussreichste Schüler Platons« ein, so ist der wahre Satz »Aristoteles war der einflussreichste Schüler Platons« notwendig; führen wir den Namen »Aristoteles« dagegen durch die Beschreibung »der begabteste Sohn des Leibarztes Philipps II.« ein, so stellt der Satz »Aristoteles war der einflussreichste Schüler Platons« eine kontingente Wahrheit dar.
    [133] Dieses Bild hält Kripke für grundfalsch. Er geht mit Recht davon aus, dass ein Satz wie »Aristoteles war der einflussreichste Schüler Platons« unter keinen Umständen eine notwendige Wahrheit sein kann – einfach deshalb, weil Aristoteles sich beispielsweise im Alter von siebzehn Jahren hätte entschließen können, wie sein Vater Arzt zu werden statt in Platons Athener Akademie einzutreten. Und dann hätte er mit Sicherheit nicht Platons berühmtester Schüler werden können. Wenn man diese Art zu denken für ganz natürlich und nahe liegend hält, ist man Indeterminist. Man glaubt, dass sich die Welt teilweise hätte anders entwickeln können, als sie sich entwickelt hat. Damit betrachtet man wie Aristoteles die Modalitäten, also Kontingenz und Notwendigkeit als Aspekte der Welt (De-re-Modalität). Das war, wie wir wissen, bereits bei dem dezidierten Indeterministen Aristoteles so. Seit die Physik des 20. Jahrhunderts – nach Vorarbeit durch Charles Darwin (1809–1882) – den Zufall heimgeholt hat in die Naturwissenschaft und damit in die Welt, dürfen wir wieder denken, was viele Leute schon immer dachten: dass sich die Dinge z. T. hätten anders entwickeln können, als dies tatsächlich der Fall war. Und das ist Kripkes Ausgangspunkt.
    Wir können dann von möglichen Welten reden – von Welten, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt wie unsere Welt sind, die sich dann aber anders entwickelt hätten, als sich unsere Welt tatsächlich entwickelt hat. Mögliche Welten nehmen wir in den Blick, wenn wir Überlegungen etwa mit dem Gedanken beginnen: »Angenommen, x wäre geschehen …«, z. B. »Angenommen, Kripke wäre Musiker geworden …«. Oder stellen wir uns vor, wir würden uns alle möglichen Entscheidungen und Geschehnisse, die in Kants Leben hätten erfolgen können, vor Augen führen können, dann hätten wir alle möglichen Welten vor Augen, in denen Kant vorkommt. Aber Kant ist unser Kant, d. h. der Kant unserer Welt – auf ihn müssen wir uns stets beziehen, wann immer wir von möglichen Welten in diesem neuen Sinne reden, in denen Kant vorkommt. Wir müssen also nicht angestrengt darüber nachdenken, unter welchen [134] Bedingungen ein Individuum in einer möglichen Welt identisch ist mit einem Individuum in einer anderen möglichen Welt. Denn die Beschreibung möglicher Welten bezieht sich stets auf Individuen, die Bestandteile unserer aktuellen Welt und zugleich aller möglichen Welten sind, die wir uns vorstellen wollen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
    Kripke nennt einen Ausdruck »starren Designator«, wenn er sich in allen möglichen Welten und in unserer aktuellen Welt auf denselben Gegenstand bezieht. Das Resultat der bisherigen Überlegungen ist somit, dass Eigennamen starre Designatoren sind. Das ist der Anfang einer neuen Art von Bedeutungstheorie: der Theorie der starren Referenz. Und es ist zugleich der Anfang eines neuen essenzialistischen Realismus.
    Dem bisher entwickelten Bild zufolge haben individuelle Dinge in unserer Welt kontingente Eigenschaften – Eigenschaften, die sie zwar in unserer Welt haben, die sie aber in einer anderen möglichen Welt nicht haben. Für Aristoteles war z. B. die Eigenschaft, Platons Schüler zu sein, kontingent, denn sein Leben hätte so verlaufen können, dass er nicht Platons Schüler geworden wäre. Aber wenn Eigennamen starr referieren, müssen die Individuen, auf die sie starr referieren, auch einige notwendige Eigenschaften haben, Eigenschaften, die sie sowohl in unserer aktuellen Welt als auch in allen anderen möglichen Welten haben. Diese notwendigen Eigenschaften sind z. T. Eigenschaften, die gewisse Individuen identifizieren. So ist etwa die Eigenschaft des Aristoteles, der Sohn der Phästis und des Nikomachos aus Stagira zu sein, notwendig für Aristoteles, ebenso die Eigenschaft, G zu haben, wenn G seine genetische Struktur war. Aber auch die Eigenschaft, ein Mensch zu sein, ist notwendig für Aristoteles: In allen möglichen Welten, in denen wir mit dem Eigennamen »Aristoteles« starr auf Aristoteles referieren, ist er ein Mensch und Sohn der
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