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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie
Autoren: Wolfgang Detel
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angelsächsischen Ländern vor allem aus einer Kritik am politischen Liberalismus heraus entwickelt – freilich an einem Liberalismus, wie er in den USA und in England verbreitet ist. 46 Diesem Verständnis zufolge ist die Kernthese des politischen Liberalismus, dass unter den modernen Bedingungen des gesellschaftlichen Wertepluralismus nur das prozedurale Prinzip gleicher Rechte, Pflichten, Freiheiten und Chancen der normative Maßstab für die Gerechtigkeit eines Gemeinwesens sein kann; dieses Prinzip gilt dem Liberalismus zufolge universal und hat daher normativen Vorrang vor allen Formen der historischen Sittlichkeit.
    Die Kommunitaristen betonen demgegenüber, dass jede sinnvolle Diskussion über eine gerechte Gesellschaftsordnung und gleiche Rechte, Pflichten, Freiheiten und Chancen stets [131] eine vorgängige Rückbesinnung auf einen Horizont gemeinsamer Werte voraussetzt. Daher gehört den gemeinschaftlichen Vorstellungen vom Guten der Vorrang (theoretisch wie politisch) vor den Ideen einer prozeduralen Gerechtigkeit. Und die Vorstellungen vom Guten sind ihrerseits nicht universal, sondern können in verschiedenen Gesellschaften durchaus verschieden sein.
    Zur Begründung dieser These haben die Kommunitaristen in einer ersten Phase der Debatte den Personenbegriff der Liberalen kritisiert: Die liberale politische Theorie, allen voran Rawls, verwendet einen abstrakten atomistischen Personenbegriff, der mit dem sog. »Schleier der Unwissenheit« arbeitet, um einen politischen Gerechtigkeitsbegriff einzuführen: Gesellschaftliche zweckrationale Wesen einigen sich unter Unwissenheit über ihre zukünftigen Chancen und Positionen in der Gesellschaft auf normative politische Grundsätze. Die Kommunitaristen halten dieser Strategie entgegen, dass politische Theorien von einem komplexeren Personenbegriff ausgehen müssen, der auch eine Einbettung in historische Kontexte und kulturell geteilte Werte impliziert. Es ist gerade der falsche abstrakte und atomistische Personenbegriff, der nach Meinung der Kommunitaristen erst eine liberale Gerechtigkeitstheorie ermöglicht.
    Später wandte sich die Debatte zwischen Liberalen und Kommunitaristen Fragen der politischen Motivation zu. Die Kommunitaristen behaupten, dass sich liberale Demokratien nur dann erhalten und stabilisieren können, wenn ihre Mitglieder einen Gemeinschaftssinn entwickeln, der sie zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Pflichten motiviert. Eine radikal liberale Gesellschaftstheorie denkt das politische Handeln nur aus der Perspektive individueller Einstellungen und zweckrationaler Kalküle, die den Zusammenhalt liberaler Demokratien jedoch nicht gewährleisten können. Die Durchsetzung liberal gefasster Gerechtigkeit setzt daher eine Motivation voraus, die nur über die Mitgliedschaft in einer wertintegrierten Gesellschaft erzeugt wird. Mit dieser [132] Motivation sind Ideen gemeinschaftlicher Werte verbunden, aus denen allein solidarische und patriotische Einstellungen erwachsen können.
    In all diesen Kritikpunkten betonen die Kommunitaristen gegenüber dem Liberalismus den Vorrang des Guten vor dem Gerechten, und diesen Vorrang führen sie auf die theoretische Grundhaltung der aristotelischen Ethik und politischen Theorie zurück.
    Wenden wir uns zum Abschluss der neuen essenzialistischen Metaphysik zu, wie sie von Saul Aaron Kripke (geb. 1940) und Hilary Putnam (geb. 1926) vor rund vier Jahrzehnten entwickelt worden ist. 47 Dem Empirismus und Transzendentalismus, also den führenden subjektphilosophischen Bewegungen zufolge muss apriorisches Wissen – d. i. Wissen unabhängig von aller Erfahrung – mit dem Wissen von Notwendigkeiten identifiziert werden. Die empiristische Tradition hält nur analytische Sätze für notwendig und daher kann es für sie nur von analytischen Wahrheiten Wissen a priori geben. Kant akzeptiert auch synthetische Erkenntnisse a priori, aber dass die Erkenntnisse a priori sind, heißt auch für Kant, dass sie Notwendiges zum Gegenstand haben. Ein anderer Aspekt dieser Intuition ist, dass Modalitäten nicht Aspekte der Welt, sondern unserer Beschreibung und Erkenntnis der Welt sind (De-dicto-Modalität). Beschreiben wir z. B. die Zahl 9 im Rahmen der modernen Algebra, so ist es eine notwendige Wahrheit, dass diese Zahl ungerade ist. Würden wir dagegen diese Zahl als Zahl der Planeten unseres Sonnensystems einführen, dann ist es kontingent, dass diese Zahl ungerade ist. Führen wir den Namen »Aristoteles« durch die
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