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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie
Autoren: Wolfgang Detel
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Erhaltung der Gesundheit das Ziel der Verdauung des Essens ist (Prämisse (b) verweist auf eine finale Ursache); syllogistische Notation:
    (a) Spaziergänge nach dem Essen etc. a
Erhaltung der Gesundheit
    (b)
Erhaltung der Gesundheit
a Verdauung des Essens
    (c) Spaziergänge nach dem Essen etc. a Verdauung des Essens
    (iv)* Eine Saite S produziert Töne in einer Oktave, weil (a) die Produktion von Tönen in einer Oktave die Teilung der Saite im Verhältnis
1 : 2 erfordert und (b) die Saite S im Verhältnis
1 : 2 geteilt wurde (Prämisse (b) verweist auf eine formale Ursache); syllogistische Notation:
    (a) Produktion von Tönen in einer Oktave a
Teilung im Verhältnis 1 : 2
    (b)
Teilung im Verhältnis 1 : 2
b Saite S
    (c) Produktion von Tönen in einer Oktave b Saite S
    In allen diesen Beispielen ist (i) der Schluss von den Prämissen (a) und (b) auf die Konklusion (c) ein logisch gültiger Syllogismus, (ii) der kursiv geschriebene Begriff der Mittelbegriff, und (iii) Prämisse (b) die Prämisse, die auf eine aristotelische Ursache verweist (mit dem Mittelbegriff als erklärender Eigenschaft). Im Übrigen erklären die Demonstrationen (i)* und (iii)* universelle Fakten, die Demonstrationen (ii)* und (iv)* dagegen singuläre Fakten.
    Damit hatte Aristoteles das Konzept der deduktiven wissenschaftlichen Erklärung erfunden.
    Wir können nun den letzten Schritt im Aufbau einer wissenschaftlichen Theorie, wie Aristoteles sich ihn vorstellt, leicht beschreiben: Unter allen Deduktionen, die in einer [30] vollständigen Analyse auftauchen, müssen diejenigen ausgewählt werden, die zugleich Demonstrationen und damit deduktive wissenschaftliche Erklärungen sind – deren zweite Prämisse sich folglich als eine der aristotelischen Ursachen klassifizieren lässt.
    Aristoteles bemerkt des Öfteren, dass die Einsicht in die obersten Prinzipien oder Definitionen das höchste Ziel wissenschaftlicher Aktivität ist und dass sich die obersten Prinzipien oder Definitionen nicht selbst noch einmal demonstrieren lassen (APo. I 2; II 19). Wir dürfen diese logisch triviale Bemerkung nicht missverstehen – so als wollte er sagen, dass wir die obersten Prinzipien und Definitionen direkt und unmittelbar, also ohne weitere rationale Begründung, erfassen könnten. Ganz im Gegenteil können wir sie nach Aristoteles nur am Ende eines zum Teil langen Begründungsganges erkennen.
    Allerdings unterscheidet er verschiedene Arten von Prinzipien (APo. 12). Die wichtigste Art sind die obersten erklärungskräftigen Prämissen, die an der Spitze einer ausgearbeiteten wissenschaftlichen Theorie stehen. Einige dieser Prinzipien nennt Aristoteles auch
Definitionen
, und zwar jene, die syllogistisch konvertieren und somit wahre syllogistische Sätze der Form AaB sind, für die auch die Umkehrung BaA wahr ist. Natürlich handelt es sich dabei nicht um Definitionen im modernen Sinne – also nicht um bloße analytische Sätze oder Analysen von Wortbedeutungen, sondern um empirisch oder mathematisch gehaltvolle Sätze über die Welt. Prinzipien dieser Art können trivialerweise nicht selbst demonstriert werden, d. h., sie könnten nicht innerhalb der Theorienkonstruktion deduktiv erklärt werden. Aber ein Erfassen dieser Prinzipien setzt ersichtlich die Konstruktion einer abgeschlossenen Theorie voraus; erst nach der Theorienkonstruktion können wir erkennen, welche universellen Sätze in ihrem Gegenstandsbereich Definitionen sind. Daher sind genau diejenigen vielfältigen Gründe, die für die Konstruktion und Annahme einer Theorie im Ganzen sprechen, auch die Gründe, [31] die dem Postulat ihrer Definitionen zugrunde liegen. In diesem Sinne ist das Erfassen dieser Art von Definitionen nicht unbegründet. Aristoteles bemerkt ausdrücklich, dass die Angabe oberster Definitionen und oberster erklärungskräftiger konvertierbarer Prämissen in Analysen auf dasselbe hinausläuft (APo. II 10).
    Wenn wir eine wissenschaftliche Theorie konstruieren, müssen wir nach Aristoteles auch davon ausgehen können, dass die fundamentalen Gegenstände, die mithilfe der Theorie untersucht werden sollen, tatsächlich existieren: etwa das Heiße und Kalte in der Physik, die natürlichen Arten von Tieren in der Biologie oder Kreis und Gerade in der Geometrie (APo. I 10). Prinzipien dieser Art heißen
Hypothesen
. Im Einzelfall sind auch die Hypothesen begründungsbedürftig – als Existenzannahmen naheliegenderweise im Rahmen der ersten Philosophie oder Ontologie.
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