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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Der Aufstieg
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wieder zur Arbeit. Grace arbeitete Weihnachten im Londoner Krankenhaus durch, denn so was wie Schichtdienst kannte sie nicht. Kitty lungerte herum, machte alle Geschenke auf, vor allem die der anderen, und ging dann wieder ins Bett. Kitty schaffte es offenbar einfach nie, einen Job jemals länger als eine Woche zu behalten. Aber sie war immer besser gekleidet als wir, ich nehme an, weil eine ganze Reihe junger Soldaten, denen sie schöne Augen machte, offenbar mit Freuden bereit war, den letzten Penny für sie auszugeben, ehe sie an die Front mußten. Ich fragte mich manchmal, was Kitty ihnen wohl sagen würde, falls sie alle am gleichen Tag zurückkehrten.
Hin und wieder half Kitty ein oder zwei Stunden freiwillig am Karren mit, doch sobald sie einen guten Teil des Tagesgewinns verfuttert hatte, trollte sie sich. »Die ist beim besten Willen kein Gewinn für uns«, brummte Großvater. Aber ich beklagte mich nicht. Ich war gerade sechzehn geworden, hatte keine Sorgen, und meine Gedanken beschäftigten sich nur damit, wie bald ich einen eigenen Karren bekommen konnte.
Mr. Salmon machte mich darauf aufmerksam, daß in der Old Kent Road die besten Karren verkauft wurden, weil so viele der jungen Händler Kitcheners Aufruf folgten, für König und Vaterland zu kämpfen. Er war überzeugt, daß es keine günstigere Zeit für das gäbe, was er einen guten metsieh nannte. Ich dankte ihm für den Tip und bat ihn, Großvater nicht zu sagen, was ich vorhatte, da ich den metsieh abschließen wollte, ehe er was davon erfuhr.
Am nächsten Samstag vormittag bat ich Großvater, mir zwei Stunden freizugeben.
»‘äst dir wohl ‘n Mädchen angelacht, oder?« Er blickte mich eindringlich über den Karren an. »Ich ‘offe bloß, es ist nich’ der Pub, der dich lockt.«
»Weder – noch«, versicherte ich ihm grinsend. »Aber du sollst als erster erfahren, was es ist, Großpapa«, versprach ich ihm, legte zackig die Hand an die Mütze und marschierte in Richtung Old Kent Road davon.
Es war ein langer Weg, der mich auf der Tower Bridge über die Themse führte; denn der fremde Markt lag viel weiter im Süden, als ich je gekommen war. Und als ich dort ankam, glaubte ich, meinen Augen nicht trauen zu können. Ich hatte noch nie so viele Karren auf einem Haufen gesehen! In langen Reihen standen sie nebeneinander. Lange, kurze, gedrungene, in allen Regenbogenfarben und manche mit Namen, die seit Generationen einen guten Ruf im East End hatten. Über eine Stunde begutachtete ich alle Wagen, die zum Verkauf standen, aber immer wieder kehrte ich zu dem einen zurück, an dessen Seitenwand in blauer Schrift auf goldenem Grund die Worte standen: ›DER GRÖSSTE KARREN DER WELT.‹
Die Frau, die dieses prächtige Stück anbot, versicherte mir, daß der Karren erst einen Monat alt war. Ihr Mann, den die Hunnen umgebracht hatten, hatte drei Pfund dafür bezahlt, und sie würde ihn um keinen Penny weniger hergeben.
Ich erklärte ihr, daß ich nur zwei Pfund besäße, aber bereit wäre, ihr das restliche Geld innerhalb von sechs Monaten zu bezahlen.
»In sechs Monaten können wir schon alle tot sein«, entgegnete sie und schüttelte den Kopf mit einem Gesichtsausdruck, der zu sagen schien, daß sie diese Art von Versprechen schon öfter gehört hatte.
»Dann geb’ ich Ihnen zwei Pfund und Sixpence und den Karren von meinem Großvater als Zugabe«, sagte ich, ohne zu überlegen.
»Wer ist dein Großvater?«
»Charlie Trumper«, antwortete ich stolz, obwohl ich, um ehrlich zu sein, nicht damit rechnete, daß sie je von ihm gehört hatte.
»Charlie Trumper ist dein Großvater?«
»Ja, und?« fragte ich herausfordernd.
»Dann bin ich mit zwei Pfund und Sixpence einstweilen zufrieden, aber sieh zu, daß du mir den Rest noch vor Weihnachten bezahlst.«
Das war das erste Mal, daß mir der Wert eines guten Rufes deutlich wurde. Ich händigte der Frau also die Ersparnisse meines ganzen Lebens aus und versprach, daß sie den Restbetrag vor Ende des Jahres bekommen würde.
Wir besiegelten den Handel mit einem Handschlag, und ich schob meine Neuerwerbung in Richtung Whitechapel Road und pfiff dabei fröhlich den ganzen Weg. Als Sal und Kitty das Gefährt sahen, hüpften sie vor Aufregung und halfen mir sogar, eine Seite zu beschriften: ›CHARLIE TRUMPER, DER EHRLICHE HÄNDLER. Gegründet 1823.‹
Nachdem unser Werk vollbracht und noch ehe die Farbe richtig trocken war, schob ich den Karren voller Stolz zum Markt. Als ich in Sichtweite von Großpapas
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