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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Der Aufstieg
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Schatten länger wurden.
Es dauerte Wochen, ehe Charlie aufhörte, sich umzudrehen, um zu fragen: »Wieviel, Großpapa?« oder »Darf ich für Mrs. Davies anschreiben, Großpapa?« Und erst nachdem er auch den letzten Penny für den neuen Karren abbezahlt hatte und kaum noch Bargeld besaß, erkannte er, wie gut sein Großvater doch als Händler gewesen war.
In den ersten paar Monaten verdienten sie nur ein paar Pennies die Woche, und Sal kam mehr und mehr zu der Überzeugung, daß sie alle im Armenhaus enden würden, wenn sie nicht einmal die Miete bezahlen konnten.
Immer wieder flehte sie Charlie an, doch Großvaters alten Karren zu verkaufen, um wenigstens ein bißchen Geld im Haus zu haben. Doch Charlies Antwort blieb stets die gleiche: »Niemals!« Und er fügte hinzu, daß er das erinnerungsbeladene Stück lieber im Hinterhof verrotten lassen würde, als zuzulassen, daß ein Fremder es anfaßte.
Doch dann ging es allmählich immer ein Stückchen weiter aufwärts, und der »Größte Karren der Welt« brachte mit der Zeit sogar so viel Gewinn ein, daß es für ein Kleid aus zweiter Hand für Sal reichte, ein Paar Schuhe für Kitty und einen Anzug aus dritter Hand für Charlie.
Obgleich Charlie immer noch recht dünn war – jetzt nicht mehr Bantam- sondern Fliegengewicht – und auch nicht übermäßig groß, fiel ihm doch auf, daß ihn nach seinem siebzehnten Geburtstag die schönen Damen an der Ecke der Whitechapel Road – die immer noch jedem Mann in Zivil, der aussah, als könnte er zwischen achtzehn und vierzig sein, weiße Federn ansteckten – wie die Geier beäugten.
Obwohl Charlie keine Angst vor den Deutschen hatte, hoffte er doch, daß der Krieg bald enden und sein Vater heimkehren und seine alten Gewohnheiten wiederaufnehmen würde, tagsüber die Arbeit im Hafen und abends im Black Bull herumzuhocken. Doch da keine Briefe kamen und die Nachrichten in den Zeitungen alle zensiert waren, konnte selbst Mr. Salmon ihm nicht sagen, was sich wirklich tat.
Im Laufe der Monate wußte Charlie immer besser einzuschätzen, welchen täglichen Bedarf seine Kunden an Obst und Gemüse hatten, und diese konnten ihrerseits feststellen, daß man an seinem Karren für das gleiche Geld bessere Ware bekam als bei anderen Händlern. Und als Mrs. Smelley mit lächelndem Gesicht an einem Tag mehr Kartoffeln für ihre Pension kaufte als andere Stammkundinnen in einem ganzen Monat, zweifelte selbst Charlie nicht mehr daran, daß es aufwärts ging.
»Ich könnt’ Ihnen Ihre Bestellung auch liefern, Mrs. Smelley«, erbot er sich. »Jeden Montagmorgen direkt in Ihr ‘aus.«
»Danke, nicht nötig, Charlie«, entgegnete sie. »Ich möchte mir immer gern selbst aussuchen, was ich kaufe.«
»Geben Sie mir ‘ne Chance, Mrs. Smelley, dann müssen Sie nich’ bei Sturm und Regen aus dem ‘aus, wenn Sie plötzlich mehr Gäste als erwartet kriegen.«
Sie blickte ihn nachdenklich an. »Na gut, versuchen wir’s mal für zwei Wochen. Aber wenn Sie mich je enttäuschen, Charlie Trumper …«
»Sie können sich auf mich verlassen«, versicherte ihr Charlie grinsend. Von diesem Tag an sah man Mrs. Smelley auf dem Markt nie mehr Obst und Gemüse einkaufen.
Nach diesem ersten Erfolg beschloß Charlie, seine FreiHaus-Lieferungen auch anderen Kunden anzubieten. Vielleicht konnte er auf diese Weise sein Einkommen sogar verdoppeln. Am nächsten Morgen holte er Großpapas alten Karren aus dem Hof und setzte Kitty für den Zustelldienst ein, während er selbst an seinem Standplatz in Whitechapel blieb.
Innerhalb von wenigen Tagen hatte Charlie den ganzen Gewinn eingebüßt, den er in den vergangenen sechs Monaten gemacht hatte. Kitty, so stellte sich heraus, konnte offenbar mit Geld überhaupt nicht umgehen, und, was noch schlimmer war, sie fiel auf jede rührselige Ausrede herein und verschenkte oft sogar noch Ware, statt sie sich bezahlen zu lassen. Am Ende dieses Monats war Charlie fast bankrott und bereits wieder mit der Miete im Rückstand.
»Und was hast du aus einem so gewagten Schritt gelernt?« fragte ihn Dan Salmon, der in der Tür seiner Bäckerei stand, das Käppchen auf dem Kopf und den Daumen in der Westentasche, aus der seine goldene Taschenuhr hervorschaute.
»Daß man es sich zweimal überlegen sollte, bevor man Familienange’örige anstellt; und daß man nie davon ausgehen darf, daß jeder seine Schulden bezahlt.«
»Gut«, lobte Mr. Salmon. »Du lernst schnell. Also, wieviel brauchst du, um über den nächsten Monat zu
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