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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Die Kandidaten
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durchtrennte, fügte sie auch noch ein ›Halleluja‹ hinzu. Ruth, die immer noch narkotisiert war, konnte das erleichterte Lächeln auf Dr. Greenwoods Gesicht natürlich nicht sehen. Rasch verließ er den Operationssaal, um dem erwartungsvollen Vater mitzuteilen: »Es ist ein Junge.«
    Während Ruth friedlich schlummerte, blieb es Miss Nichol überlassen, Fletcher Andrew auf die Säuglingsstation zu bringen, wo er seine ersten Lebensstunden in Gesellschaft mehrerer Neugeborener verbringen würde. Sobald sie das Kind in seine kleine Wiege gebettet hatte, ließ sie die Krankenschwester über ihn wachen und kehrte in Ruths Zimmer zurück. Miss Nichol setzte sich in den bequemen Sessel in der Ecke und versuchte, wach zu bleiben.
    Gerade als die Nacht dazu ansetzte, in den Morgen überzugehen, schreckte Miss Nichol aus dem Schlaf auf. Sie hörte die Worte: »Kann ich meinen Sohn sehen?«
    »Natürlich, Mrs Davenport«, erwiderte Miss Nichol und erhob sich rasch aus dem Sessel. »Ich gehe und hole den kleinen Andrew.«
    Bevor sie die Tür hinter sich schloss, fügte sie noch hinzu: »Ich bin sofort zurück.«
Ruth richtete sich auf, schüttelte ihr Kissen aus, schaltete die Lampe auf dem Nachttisch ein und wartete voller Vorfreude.
Im Flur sah Miss Nichol auf ihre Armbanduhr. Es war 4 Uhr 31. Sie ging die Treppe in den fünften Stock hinunter und eilte zur Säuglingsstation. Miss Nichol öffnete leise die Tür, damit sie keines der schlafenden Babys weckte. Sie trat in einen Raum, der von einer schwachen Neonröhre an der Decke beleuchtet wurde, und ihr Blick fiel auf die Nachtschwester, die in der Ecke ein Nickerchen machte. Sie störte die junge Frau nicht, da es wahrscheinlich der einzige Augenblick während ihrer achtstündigen Schicht war, in dem sie sich einen Moment ausruhen konnte.
Auf Zehenspitzen schlich Miss Nichol durch die beiden Reihen an Wiegen, blieb nur kurz stehen, um auf die Zwillinge in der Doppelwiege zu schauen, die neben Fletcher Andrew Davenport lagen.
Dann sah sie auf das Kind hinunter, das den Rest seines Lebens jeden Wunsch erfüllt bekommen würde. Doch als sie sich über den kleinen Jungen beugte, erstarrte sie. Nach eintausend Geburten ist man qualifiziert genug, um den Tod zu erkennen. Die Blässe der Haut und die Reglosigkeit der Augen machten es nicht mehr nötig, nach dem Puls zu fühlen.
Entscheidungen, die im Bruchteil einer Sekunde gefällt werden – und manchmal zudem noch von anderen, nicht von uns selbst –, können oft den Verlauf unseres ganzen Lebens verändern.

3
    ALS DR. GREENWOOD mitten in der Nacht geweckt wurde und man ihm mitteilte, dass einer seiner neuen Schützlinge gestorben war, wusste er genau, um welches Neugeborene es sich handelte. Ihm war auch klar, dass er umgehend ins Krankenhaus musste.
    Kenneth Greenwood hatte immer schon Arzt werden wollen. Bereits nach wenigen Wochen an der medizinischen Fakultät war ihm auch klar gewesen, auf welches Fachgebiet er sich spezialisieren würde. Er dankte Gott jeden Tag, dass er ihm erlaubte, seiner Berufung zu folgen. Doch von Zeit zu Zeit musste er einer Mutter eröffnen, dass sie ihr Kind verloren hatte, als ob der Allmächtige es irgendwie vonnöten fand, für einen Ausgleich zu sorgen. Es war niemals einfach, aber es Ruth Davenport nunmehr zum dritten Mal sagen zu müssen …
    Um fünf Uhr morgens waren so wenig Autos unterwegs, dass Dr. Greenwood schon nach zwanzig Minuten auf den für ihn reservierten Krankenhausparkplatz bog. Er stieß die Schwingtüren auf, schritt an der Anmeldetheke vorbei und trat in den Aufzug, noch bevor ihn einer seiner Mitarbeiter ansprechen konnte.
    »Wer soll es ihr sagen?«, fragte die Schwester, die im fünften Stock schon auf ihn wartete, als sich die Türen des Aufzugs öffneten.
    »Das werde ich selbst erledigen«, sagte Dr. Greenwood. »Ich bin mit der Familie seit Jahren befreundet.«
Die Schwester wirkte überrascht. »Vermutlich müssen wir dankbar sein, dass das zweite Baby überlebt hat«, unterbrach sie seinen Gedankengang.
Dr. Greenwood blieb abrupt stehen. »Das zweite Baby?« »Aber ja, Nathaniel geht es prächtig. Nur Peter ist gestorben.«
Dr. Greenwood schwieg einen Augenblick und versuchte, diese Information zu verdauen. »Was ist mit dem Jungen der Davenports?«, erkundigte er sich.
»Dem geht es gut, soweit ich weiß«, erwiderte die Schwester.
»Warum fragen Sie?«
»Ich habe ihn zur Welt gebracht, bevor ich nach Hause fuhr.«
Hoffentlich bemerkte die Schwester das
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