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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Kain und Abel
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Baron ging zur Tür, drehte sich um und lächelte Wladek an, der das Lächeln erwiderte. Wladek hatte seine erste Schlacht gewonnen und ließ sich von der Mutter umarmen, während er auf die geschlossene Tür starrte und sie flüstern hörte: »Ach, Matka, mein Kleinster, was wird aus dir werden?«
Das herauszufinden konnte Wladek kaum erwarten.
In der Nacht packte Helena Koskiewicz für die beiden Kinder nicht daß es lang gedauert hätte, die Habseligkeiten der ganzen Familie zu packen! Am Morgen standen alle vor der Tür und sahen Wladeks und Florcias Abmarsch zum Schloß zu; jedes Kind hielt ein Paket unter dem Arm. Florentyna, groß und anmutig, sah sich wieder und wieder um, weinte und winkte. Wladek, klein und unbeholfen, drehte sich kein einziges Mal um. Auf dem Weg zum Schloß hielt Florentyna die ganze Zeit Wladeks Hand fest; ihre Rollen waren jetzt vertauscht. Von diesem Tag an verließ sie sich auf ihn.
Der prächtig aussehende Mann in der gestickten grünen Livree, der auf ihr schüchternes Klopfen die schwere Eichentür öffnete, hatte sie offensichtlich erwartet. Beide Kinder hatten schon in der Stadt die grauen Uniformen der Soldaten bewundert, die die nahe russischpolnische Grenze bewachten, aber noch nie hatten sie etwas so Großartiges gesehen wie diesen livrierten Diener, der sie um mehrere Haupteslängen überragte und bestimmt von allergrößter Wichtigkeit war. In der Halle lag ein dicker Teppich, und Wladek starrte, von dessen Schönheit verwirrt, auf das grünrote Muster und überlegte, ob er sich die Schuhe ausziehen sollte. Erstaunt stellte er fest, daß seine Schritte kein Geräusch verursachten, als er darüberging. Die blendende Erscheinung führte die Kinder zu ihren Schlafzimmern im Westflügel. Getrennte Schlafzimmer - würden sie jemals einschlafen können? Wenigstens gab es eine Verbindungstür, so daß sie nicht gar so weit voneinander entfernt waren, und anfangs schliefen sie viele Nächte im selben Bett.
Als sie ausgepackt hatten, führte man Florentyna in die Küche, während Wladek in das Spielzimmer im Südflügel geleitet wurde, um Leon, den Sohn des Barons, kennenzulernen. Die Begrüßung des großen, hübschen Jungen war so warm und herzlich, daß Wladek erstaunt und erleichtert auf die kämpferische Pose verzichtete, die einzunehmen er sich angeschickt hatte. Leon war einsam gewesen und hatte niemanden zum Spielen gehabt als Niania, seine treu ergebene litauische Amme, die seit dem vorzeitigen Tod seiner Mutter für alle seine Bedürfnisse sorgte. Der untersetzte Junge aus dem Wald bot Aussicht auf Gesellschaft. Und zumindest in einer Hinsicht waren sie, das wußten beide, für gleichwertig befunden worden.
Leon machte sich sofort erbötig, Wladek das Schloß zu zeigen, und die Besichtigung dauerte den ganzen Vormittag. Wladek war tief beeindruckt von der Größe, den herrlichen Möbeln und Stoffen und von den Teppichen in allen Räumen. Leon gegenüber zeigte er sich nur angenehm berührt; schließlich hatte er seinen Platz im Schloß durch eigene Verdienste erworben. Die wesentlichsten Teile des Gebäudes seien frühgotisch, erklärte der Sohn des Barons, so als müsse Wladek wissen, was Gotik ist. Wladek nickte. Als nächstes führte Leon seinen neuen Freund in die riesigen Kellergewölbe, wo in langen Reihen verstaubte, mit Spinnweben überzogene Flaschen nebeneinander lagen. Wladeks liebster Raum war der große Speisesaal mit den von Säulen gestützten Gewölben und dem mit Steinplatten belegten Boden. An allen Wänden hingen Tierköpfe. Leon zeigte Wladek die Bären, Bisons, Elche, Eber und Vielfraße. Am Ende des Saales befand sich unter einem Hirschgeweih das prächtige Familienwappen. »Das Glück ist mit den Tapferen«, war das Motto der Rosnovskis. Nach dem Mittagessen, dem Wladek kaum zusprach, weil er nicht mit Messer und Gabel umgehen konnte, lernte er seine beiden Lehrer kennen.
Ihre Begrüßung war weniger herzlich. Abends kroch er in das größte Bett, das er je gesehen hatte, und erzählte Florentyna seine Erlebnisse. Sie hing an seinen Lippen und vergaß vor Staunen den Mund zu schließen, besonders als sie von Messer und Gabel hörte, die Wladek ihr, die Finger der rechten Hand eng aneinandergepreßt und die der linken weit auseinandergespreizt, beschrieb.
Der Unterricht begann vor dem Frühstück um Punkt sieben, und dauerte, nur von kurzen Essenspausen unterbrochen, den ganzen Tag. Anfangs war Leon deutlich besser als Wladek, aber Wladek kämpfte
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