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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis
Autoren: Andreas Geist
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war es düster und regnerisch gewesen an diesem Dezembertag 2012. Die dunkle Jahreszeit drückte immer auf seine Stimmung. Er war gereizt und hatte zudem schlecht geschlafen.
    Christopher Martinez war Mitte 40, sein Name das Ergebnis einer Promotion nach dem Studium der Zahnmedizin an der Universität Tübingen und der Ehe eines amerikanischen Soldaten kubanischer Herkunft mit seiner Mutter, Johanna Gutenberg, die bei seiner Geburt starb. Die wachen Augen in seinem schmalen Gesicht waren von einer dunklen Unergründlichkeit. Einige Narben in seinem sonst glatten Gesicht gaben ihm zusammen mit den kräftigen, tiefschwarzen Augenbrauen den Touch herber Männlichkeit.
    Seine Schläfen waren grau, sein Haar voll und trotz Kurzhaarschnitt kaum zu bändigen. Christopher Martinez war gewohnt schnell zu denken, und ebenso schnell in einer angenehm warmen Baritonstimme ein akzentfreies Hochdeutsch zu sprechen, um die Flut seiner Gedanken angemessen zu kanalisieren. Er lebte seit zwölf Jahren in einer Kleinstadt im Schwarzwald und hatte dort neben seiner Zahnarztpraxis eine Familie gegründet. Ein Teil seine Gene war dafür verantwortlich, dass sein Gesicht im Winter die Farbe eines zweiminütigen Darjeelings annahm. Nach dem ersten Kontakt mit der Sonne wechselte die Hautfarbe zu starkem Kaffee, aus dem herrlich weiße Zähne wie perfekt geformte Zuckerwürfel heraus blinkten.
    Seine Frau hatte ihm beigebracht, elementare Gesetzte guten Geschmacks in Hinblick auf seine Kleidung einzuhalten. Er legte an ihrer Seite das Image des zerstreuten Professors und mit 43 Jahren die dicke Hornbrille ab, die aufgrund der beginnenden Altersweitsichtigkeit überflüssig wurde, nachdem sie über Jahrzehnte sein Markenzeichen gewesen war.
    Chronische Rückenprobleme hatten ihn dazu gezwungen, sein Leben radikal zu ändern. Er verbesserte seine Haltung und Beweglichkeit durch regelmäßiges Yoga und lernte nicht nur, sich schmerzfrei zu bewegen, sondern veränderte durch das Training ihm zuvor unbekannter Muskeln sein komplettes Erscheinungsbild.
    Man schätzte ihn als attraktiven, kultivierten Intellektuellen, dem man trotz seiner kühlen Distanziertheit Vertrauen und Sympathie entgegenbrachte. Im Gegenzug bemühte er sich um eine Herzlichkeit, die ihm eigentlich nicht entsprach. In seiner Kindheit hatte er unter der emotionslosen Rationalität seines Vaters gelitten, die sein späteres Leben maßgeblich prägte.
     
    Nach dem langen Arbeitstag war er müde und gereizt.
    Der letzte Patient des Abends war ein Mann Mitte fünfzig, der seinen Lebensunterhalt offensichtlich mit einer anstrengenden, körperlichen Tätigkeit bestritt. Das Gesicht, das sich ihm zuwandte, wirkte sonnengegerbt, die Hände waren ungewöhnlich groß und stark, ihre Haut rissig. Die Fingernägel wirkten mühevoll gereinigt, dennoch nicht sauber.
    Christopher Martinez tippte auf einen Landwirt aus der näheren Umgebung. Der Name, den er auf der Karteikarte las, kam ihm bekannt vor und er meinte, es ging damals um den Verkauf eines Baugrundstücks im nahe gelegenen Alzenberg, für das er sich interessiert hatte, bevor ihm das alte Schindelhäuschen angeboten worden war, in das er und seine Frau sich spontan verliebten.
    Herr Martin Wallinger war zum ersten Mal bei ihm und hatte als Schmerzpatient kurzfristig einen Termin erhalten.
    Christopher Martinez hatte soeben eine tiefe Karies entfernt und dabei den Nerv des Zahnes erreicht. Das zog eine Wurzelbehandlung nach sich, die verhindern würde, dass er an diesem Abend pünktlich nach Hause käme, so wie er es seiner Frau versprochen hatte.
    Er seufzte, schloss die Augen für einen weiteren Moment, entspannte den verkrampften Nacken und fügte sich in das Unabänderliche.
    Die gesamte Behandlung verlief wider Erwarten komplikationslos, nicht zuletzt deshalb, weil Herr Wallinger sehr schmerztolerant und kooperativ war, und nachdem Christopher Martinez die letzte Röntgenkontrollaufnahme gefertigt hatte, beugte sich Herr Wallinger verschwörerisch zu ihm. Seine Blicke folgten der Assistentin, bis sie das Behandlungszimmer in den Sterilisationsraum verlassen hatte, sodass die beiden Männer alleine waren.
    „Zunächst möchte ich mich für den schnellen Termin bedanken“, begann Herr Wallinger umständlich und reichte Christopher Martinez die riesige Pranke.
    Er nahm sie zögernd. Es war der absurde Gedanke, dass Herr Wallinger ihm ohne große Mühe die Finger der rechten Hand brechen könnte.
    „Ich muss gestehen, dass
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