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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis
Autoren: Andreas Geist
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ich nicht wirklich Schmerzen hatte, obwohl das Loch schon lange da war. Ich wollte sie dringend sehen aus einem ganz anderen Grund.“
    Christopher beugte sich noch etwas näher zu Herrn Wallinger, der immer noch flüsterte:
    „Sie haben nicht nur den Ruf eines hervorragenden Zahnarztes, sondern auch eines versierten Archäologen, und auf diesem Gebiet brauche ich ihre Hilfe.“
    Also das war es! Gewöhnlich begann nun die Geschichte über ein Bild auf einem Dachboden, das alt und wertvoll aussah und sich nach dem ersten Blick, den er darauf warf, als naive Kleckserei entpuppte. Es waren häufig Versuche frustrierter Lehrer um die Jahrhundertwende, die ihrem tristen Alltag im Schwarzwald einen neuen Impuls geben wollten, der ebenso verpuffte wie der Rest ihrer kleinbürgerlichen Existenz.
    „Es handelt sich nicht etwa um ein Familienerbstück, das ich zufällig auf dem Dachboden gefunden habe.“
    Konnte Herr Wallinger Gedanken lesen? Christopher Martinez kam sich ertappt vor. Er beschloss, seinem neuen Patienten wenigstens mit einem guten Rat zur Seite zu stehen. Herr Wallinger fuhr fort:
    „Ich habe etwas in meinem Wald gefunden, das sehr alt aussieht. Meine Frau Helene, die ein bisschen zu…“, er überlegte kurz,“…zu okkulten Dingen neigt, hat den Gegenstand befühlt und mich sehr eindringlich gebeten, ihn sofort aus dem Haus zu schaffen.“
    Christopher Martinez spürte, dass Herrn Wallinger die mediale Veranlagung Helenes unangenehm, ja peinlich war, und Herr Wallinger versuchte zu erklären:
    „Sie ist eine intelligente Frau und hat eine besondere Gabe bei unseren Tieren Krankheiten zu erkennen, bevor ich die geringsten Anzeichen sehe.“
    Er bekräftigte seine Aussage mit gerunzelter Stirn und seinen buschigen Augenbrauen, die er so zusammenzog, dass sie sich in Form eines spitzen Winkels über der Nasenwurzel berührten.
    „Ich habe meine Frau noch nie so verstört gesehen. Das hat mir Angst gemacht, und ich habe das Ding sofort in den Stall gebracht. Jetzt bin ich hier und ich wollte sie bitten, die Scheibe aufzubewahren, bis der Stadtarchivar aus seiner Kur zurückkommt. Würden Sie das für mich tun?“, fragte Herr Wallinger beinahe flehend.
    Er hatte zum ersten Mal den Begriff Scheibe gebraucht. Christophers Puls beschleunigte sich. Der Fund der Himmelsscheibe von Nebra aus der Bronzezeit lag dreizehn Jahre zurück und hatte nie seine Faszination für ihn verloren. Warum sollten nicht auch im Schwarzwald bronzezeitliche Astronomen den Nachthimmel studiert haben?
    Er verwarf den Gedanken, wandte sich nun aber mit besonderer Aufmerksamkeit Herrn Wallinger zu.
    „Sie ist hier in meiner Aktenmappe.“
    Erst jetzt bemerkte Christopher, was ihn von Anfang an gestört hatte. Es war die vornehme, lederne Aktentasche, die so gar nicht zu Herrn Wallingers groben Händen passte. Wie als Antwort auf seinen Gedanken erklärte Herr Wallinger:
    „Ich habe kaum Gelegenheit, sie zu benutzen“.
    Er lächelte schief, öffnete den Klappdeckel der ledernen Tasche und entnahm ihr einen in mehreren Lagen Zeitungspapier eingeschlagenen Gegenstand, der ungefähr einen Durchmesser von dreißig Zentimetern hatte. Das beschleunigte den Puls Christophers erneut, da die Größe in etwa der Scheibe von Nebra entsprach. Als Herr Wallinger das Kunstwerk aber in einer für seine groben Hände geradezu zärtlichen Weise ausgepackt hatte, erkannte er, dass es sich um etwas anderes handeln musste.
    Herr Wallinger hatte es sich nicht verkneifen können, das Artefakt mit einer Bürste und Wasser zu reinigen. Die Oberfläche, die sich aus dem Papier schälte, war goldfarben und mit Strichen und darüber angeordneten Punkten übersät, die wahrscheinlich mit einem Hammer in das Metall geschlagen worden waren.
    Christopher erinnerte es sofort an Zahlensymbole der Maya, die er aus seinem Archäologiestudium kannte, welches er zunächst aus Langeweile, dann aus Neugier und schließlich mit größtem Enthusiasmus parallel zu seinem Zahnmedizinstudium absolviert hatte.
    Die Symbole ordneten sich kreisförmig um ein zentrales Kruzifix an, dessen Korpus indianische Züge trug.
    Christopher runzelte die Stirn. Entweder war das Ding ein Faksimile, das jemand im Wald versteckt hatte, um jemand anderen bewusst aufs Glatteis zu führen, oder aber es handelte sich um ein Kunstwerk aus Mittelamerika, das von einem Indio vor Jahrhunderten im Schwarzwald versteckt worden war. Beide Ideen waren so abwegig, dass er sich ein Schmunzeln nicht
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