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ARALORN - Der Verrat (German Edition)

ARALORN - Der Verrat (German Edition)

Titel: ARALORN - Der Verrat (German Edition)
Autoren: Patricia Briggs
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ein oder zwei Tage, manchmal für einen Monat oder eine Saison. Doch diesmal hatte es mehr wehgetan, weil sie angenommen hatte, sie wären inzwischen über dieses Stadium hinaus – bis sie eines Morgens allein in dem Bett aufgewacht war, das sie mit ihm teilte.
    Sie musste die Gründe für sein Verschwinden zwar nicht aus seinem Mund hören, aber sie wollte mit ihm darüber reden. Und ihm erklären, falls er es nicht schon wusste, dass die Wende in ihrer Beziehung bedeutete, dass sich auch ein paar andere Dinge ändern mussten. Kein Verschwinden mehr ohne ein Wo r t.
    Das Gefühl der Wut würde sie von dem düsteren Wissen ablenken, dass ihr Vater nicht mehr war, also wartete sie darauf, dass Wolf sich rechtfertigte. Dann würde sie ihn anschreien.
    Mit einer geschmeidigen Bewegung hob er ihre Taschen auf und verstaute sie im Schrank. Dann sagte er leise und mit ihr zugewandtem Rücken: »Ich –«
    Durch ein lautes Klopfen an der Tür wurde er jäh unterbrochen.
    »Später«, sagte er und zerfloss mit einem Flimmern von Farbe und Form wieder in seine wölfische Gestalt. Sie hatte den Eindruck, er klang irgendwie erleichtert.
    Aralorn öffnete die Tür. Auf der Schwelle standen vier kräftige Männer, beladen mit je einem dampfenden Wassereimer, sowie eine Frau, die ein Tablett mit Essen hereintrug.
    Während sie zusah, wie die Männer das Wasser in die alte Kupferwanne in einer Ecke des Zimmers schütteten, überdachte sie noch einmal, ob es wirklich so klug war, Wolf zu bedrängen. Er war ein verschlossener Mensch, und sie wollte ihn nicht vergraulen oder ihm das Gefühl geben, dass er einen Preis dafür zu zahlen hatte, wenn er bei ihr blieb. Sie wollte ihn nicht verlieren, nur weil sie jemanden zum Anbrüllen brauchte, damit sie nicht in einer Lache des Kummers zusammenbrach. Sie schluckte ihren Ärger wie ihre Trauer bis auf weiteres herunter. Dem Kloß in ihrem Hals nach zu schließen, gelang ihr das nicht ganz – aber sie hatte ja noch ihre alte Kupferwanne; ein heißes Bad wirkte manchmal Wunder.
    Nachdem die vier Männer den schweren Paravent vor der Wanne aufgestellt hatten, um die kühlen Luftzüge abzuhalten, entließ sie die Bediensteten.
    Sodann trat sie hinter die Abschirmung und zog sich rasch ihre verdreckten Kleider aus. Vielleicht war es am besten, wenn sie seine Frage beantwortete; auf die Weise käme er elegant darum herum, die ihre zu beantworten. Nun gut, was hatte er noch gleich gefragt?
    »Es schien mir das Beste«, meinte sie, während sie in die Badewanne stieg.
    »Was schien dir das Beste?« Dem Klang seiner Stimme nach hatte Wolf sich von dort fortbewegt, wo sie ihn zuletzt gesehen hatte: zusammengerollt vor dem Kamin und mit geschlossenen Augen – eine Haltung, welche die Diener, die mit sichtlichem Unbehagen immer wieder zu ihm herübergeschaut hatten, offenbar beruhigte.
    »Dass ich von hier fortgegangen und nicht zurückgekommen bin.«
    »Das Beste für wen?« Jetzt ist er wieder näher , dachte sie, still in sich hineinlächelnd.
    Sie ließ sich tiefer in die luxuriös große Badewanne sinken und legte den Kopf auf den breiten Rand. Sollte sie ihm die kurze Antwort liefern oder lieber die lange? Sie lachte tonlos, dann sagte sie ruhig: »Lass mich dir eine Geschichte erzählen.«
    »Natürlich«, erwiderte er trocken.
    Diesmal lachte Aralorn laut. Ein Großteil ihrer üblichen Gelassenheit war durch das heiße Wasser zurückgekehrt, und die makabre Stimme ihres Liebsten tat das Ihrige dazu. Sie beschloss, den Grund für ihre Anwesenheit in ihrem alten Schlafgemach zu vergessen, und sei es auch nur für eine Weile. »Es war einmal«, hob sie in ihrer besten Geschichtenerzählermanier an, »vor nicht allzu langer Zeit, der Sohn eines Lords. Er genoss, trotzdem er noch jung an Jahren war, bereits den Ruf, im Kriege ungewöhnlich listenreich zu sein. Zusätzliche Bekanntheit erlangte er aufgrund eines Umstands, mit dem niemand gerechnet hatte.«
    Sie wartete.
    Schließlich, mit einem leichten Anflug von Belustigung, fragte er: »Nämlich welcher?«
    »Es war in einer Nacht im kältesten Winter. Der Vollmond tauchte die Welt in seinen fahl schimmernden Schein, da hörte ein Diener ein donnerndes Klopfen an der Türe zur Burg. Als er sie öffnete, stand ein Mann in dickem Wollumhang vor ihm; er trug einen geschlossenen Korb. ›Überbringe dies dem Sohn des Lords‹, sagte er und drückte dem Diener den Korb an die Brust. Als der Diener seine Hand um die Griffe schloss, trat der Mann
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