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ARALORN - Der Verrat (German Edition)

ARALORN - Der Verrat (German Edition)

Titel: ARALORN - Der Verrat (German Edition)
Autoren: Patricia Briggs
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einschätzen magst …« Sie ließ ihre Stimme vielsagend verstummen.
    »Schwertkämpfer oder nicht, Nevyn war für mich der Inbegriff dessen, wie ein junger Held zu sein hatte.« Sie lächelte still in sich hinein. »Ich bewunderte seine Art, die Dinge kategorisch in schwarz und weiß einzuteilen – was im krassen Gegensatz dazu stand, wie mein Vater das Leben betrachtete.«
    Aralorn machte eine Pause. »Etwa ein halbes Jahr nach Nevyns Ankunft«, fuhr sie schließlich fort, »nahm Vater mich beiseite und ließ mich wissen, dass Freya sich Sorgen machte wegen der vielen Zeit, die ihr Ehemann mit mir verbrachte. Wer Freya einmal gesehen hat, wird verstehen, warum ich die Warnung nicht allzu ernst nahm. Selbst wenn ich übermäßig für Nevyn geschwärmt hätte, wäre ich im Leben nicht auf die Idee gekommen, dass er sich, wo er doch Freya hatte, für mich als Frau interessieren könnte. Aber meine jüngere Schwester ist eine kluge Frau.«
    Aralorn wedelte mit der Hand in dem sich allmählich abkühlenden Wasser und beobachtete, wie die kleinen Wellen gegen ihre Knie spülten. »Wie es schien lag Freya mit ihren Ahnungen richtig. Nevyn fühlte sich geschmeichelt durch meine Verehrung aus der Ferne, etwas, das er bei seiner eher nüchtern denkenden Freya niemals finden würde. Ich glaube, Freya schüchterte ihn fast ein wenig ein.«
    »Er probierte es bei dir?«
    Aralorn schnaubte. »Bei dir klingt das, als wäre ich ein Pferd. Aber im Grunde lief es darauf hinaus. Er gab mir in Vaters Bibliothek Unterricht in Darranisch. Ich war zu doof …«
    »Zu jung«, korrigierte Wolf sie sanft.
    »… zu jung und zu doof, um sein bisheriges Verhalten richtig zu deuten. Erst als ich später genauer über den Vorfall nachdachte, wurde mir klar, dass er meine Reaktionen auf gewisse Dinge, die er gesagt hatte, fehlinterpretiert haben könnte. Er mochte durchaus in dem Glauben gewesen sein, dass ich mehr von ihm wollte.«
    Wolf knurrte, und sie erzählte rasch weiter. »Jedenfalls hat er versucht, mich zu küssen. Ich hab ihm auf den Fuß getreten und ihm den Ellbogen in den Magen gerammt. Ungefähr im selben Moment hörte ich auf dem Flur die Stimme meiner Schwester. Es konnte nichts Gutes daraus erwachsen, wenn Freya mich mit Nevyn ertappte – auch wenn nichts passiert war –, und deshalb verwandelte ich mich kurzerhand in eine Maus und flüchtete durch das Fenster hinaus in den Garten.«
    »Und wie hat dein Darraner das aufgenommen?«, fragte Wolf.
    »Nicht sehr gut offensichtlich«, gab Aralorn mit schiefem Grinsen zu. »Seinen ersten Schreck hab ich nicht mitgekriegt, aber als ich später beim Abendessen erschien, hat Nevyn die Tafel verlassen. Freya hat sich bei mir für sein Benehmen entschuldigt – und zwar für alles. Ich entnahm ihren Worten, dass er ihr alles gebeichtet haben musste, was immerhin anerkennenswert ist. Allerdings hat er im gleichen Atemzug behauptet, dass es meine böse Natur gewesen sei, die ihn zu seinem ›abnormalen‹ Verhalten verleitet habe. Sie glaubte das natürlich nicht – obwohl Nevyn es vermutlich tatsächlich tat –, aber dessen ungeachtet war Freya fortan nicht gut zu sprechen auf mich.« Sie lächelte humorlos. »Aber meine Schwester war nicht der Grund, warum ich fortgegangen bin. Ich hab in Nevyns Gesicht gesehen, als er mich bei Tisch erblickte: Er hatte Angst vor mir.«
    Wolf kam um den Paravent herum. Er hatte seine menschliche Gestalt angenommen, aber seine Maske war verschwunden, und mit ihr seine Narben. Es konnte ein Illusionszauber sein – Menschenmagie –, doch manchmal dachte Aralorn, dass er sich, wenn er so aussehen wollte wie vor dem Tag, an dem er sich die Verbrennungen zugezogen hatte, die grüne Magie zunutze machte, über die er gebot. Ein Trugbild hätte niemals so echt ausgesehen; aber vielleicht war sie auch nur zu voreingenommen gegenüber Menschenmagie.
    Das narbenlose Gesicht, das er zur Schau trug, war für einen Mann fast zu schön, ohne dabei jedoch im Mindesten unmännlich zu wirken. Hohe Wangenknochen, ein kantiges Kinn, nachtschwarzes Haar: Der Vater hatte seine Zeichen so unverkennbar im Gesicht seines Sohnes hinterlassen wie in dessen Seele.
    Sie hätte sich ihm gegenüber den Anflug von Abscheu, den sie für dieses Gesicht empfand, das dem seines Vaters so sehr glich, niemals anmerken lassen. Sie wusste, er wollte ihr auf diese Weise ermöglichen, seine Emotionen besser abzulesen, da die Narben, die normalerweise sein Gesicht bedeckten, zu
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