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Aqua

Aqua

Titel: Aqua
Autoren: Martini
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jeweils dreißig Zentimeter.« Schäfer radierte an einer Stelle eine mit Bleistift gezogene Linie aus.
    »Dann sollten wir heute Nacht den Wasserstand im Auge behalten und notfalls Säcke im Flur aufschichten.«
    Walde schaute auf den Plan.
    »Die grüne Linie ist das theoretische Dreizehn-Meter-Hochwasser-Szenario des Wasser- und Wirtschaftsamtes«, erklärte der ältere Mann, »die rote wurde nach der Beschreibung des Hochwassers von 1784 gezogen. Da soll die Mosel genauso hoch gewesen sein. Das Wasser kam bis zur Divels Mühl, die lag hier schräg gegenüber«, er zeigte zum Küchenschrank, »etwa hundert Meter von hier Richtung Krankenhaus. Übrigens sind inzwischen alle vier Kliniken abgesoffen, zusammen mit der Feuerwehr und den meisten Tankstellen.«
    »Also wird es höher kommen als befürchtet.« Walde sah, dass die mit Bleistift gezogene Linie noch weiter vom Fluss in die Stadt hinein reichte als die beiden farbigen Linien.
    »Zum einen gibt es keinen Sprit mehr, die Kühlung in den Supermärkten ist ausgefallen, die Notstromaggregate in den Krankenhäusern laufen nur noch bis morgen, wenn sie es nicht schaffen, irgendwo Diesel aufzutreiben. Es wird nicht mehr lange bis zu den ersten Plünderungen dauern und von da ist es nicht mehr weit bis zur Anarchie.« Schäfer blickte auf. »Ist die Haustür abgeschlossen?«
    »Ja, das ist sie«, murmelte Walde, während er dem Kratzen in seinem Hals, ein Zeichen für eine aufkommende Erkältung, nachspürte.
    Nachdem Walde Uwe Schäfer nach oben begleitet hatte, fand er in seinem Schlafzimmer Jo vor, der es sich im Bett auf Doris’ Seite bequem gemacht hatte.
    Walde stutzte. »Ich dachte, du würdest vielleicht die Couch …«
    »Die feste Matratze tut meinem Rücken gut.« Jo schaute ihn über seine Lesebrille an. »Oder störe ich dich? Es ist ja nicht die erste Nacht, die wir zusammen verbringen.« Jo hielt den mechanischen Wecker nahe an die Kerze, während er ihn einstellte. Auf der Wange trug er ein Pflaster, das Walde vorhin noch nicht gesehen hatte. »Du hast dich verletzt?«
    »Mit deinem Messer!« Jo klang vorwurfsvoll.
    »Wie bitte?«
    »Mit deinem Rasiermesser. Mein Apparat läuft nicht ohne Strom. Sorry, hätte ich fragen sollen?« Er seufzte. »Ich habe dir vorhin vielleicht nicht deutlich genug gesagt, wie leid es mir tut, dass ich dir mit der Geschichte der Raubgräberei diese dummen Unannehmlichkeiten bereitet habe. Hätte ich geahnt, dass du Ärger mit deinem Chef kriegen …«
    »Geschenkt!«
    »Nee, ist es nicht. Dafür übernehme ich die erste Hochwasserinspektion in zwei Stunden. Und morgen Früh schmiere ich dir die Stullen für die Arbeit.« Jo stellte den Wecker auf den Nachtschrank und blies die beiden Kerzen aus. »Pass bitte mit den Kerzen auf. Vorhin wurde in den Nachrichten gesagt, dass es schon eine Menge Brände gegeben hat, weil manche Leute unvorsichtig waren. Niemand weiß, wie viele Fahrstühle feststecken, weil die Leute darin keinen Alarm geben können, und die meisten Mobilnetze sind auch ausgefallen.«
    Waldes letzter Gedanke, bevor er einschlief, war die Erinnerung an den immer wiederkehrenden Spruch seines Vaters an Weihnachten, als sie längst keine Wachskerzen mehr benutzten: »Kinder kommt rein, der Baum brennt!«

Dienstag
    »Huston, wir haben ein Problem … Apollo an Walde … bitte kommen.«
    Der Lichtstrahl des landenden Raumschiffs hielt genau auf ihn zu. Er spürte, wie die Kufen aufsetzten, längst nicht so fest, wie er befürchtet hatte. Irgendwas stimmte nicht. Die Astronauten sprachen deutsch und,Roger’ fehlte am Ende des Satzes.
    »Steh bitte auf, da ist Wasser im Wohnzimmer!«
    Genau wie es die weinende Mathilda schaffte, ihn aus seiner tiefsten Schlafphase von einer Sekunde auf die andere von einem beinahe ohnmächtigen Mann in ein waches, sofort reagierendes und funktionierendes Wesen zu verwandeln, sprang Walde augenblicklich aus dem Bett und folgteJo. In der Diele lösten seine nackten Füße ein sehr unangenehmes Gefühl in ihm aus. Er verstand es erst, als er das Rinnsal im Lichtkegel von Jos Taschenlampe sah. Walde nahm Jo die Lampe aus der Hand und lief aus der Wohnung hinaus durch den Flur zur Haustür. Hinter der Tür stand zwar Wasser, aber es hatte nicht einmal die Kante der ersten Stufe erreicht. Er lud sich mehrere Sandsäcke auf und eilte damit zurück.
    »Es muss vom Garten her kommen!«, rief er Jo zu, als er ins Wohnzimmer zurückkam. Sein Freund hatte das Fenster zum Garten neben der
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