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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter
Autoren: Lorentz Iny
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nun vor ihr stand, gut und gerne zwei Jahrzehnte älter sein können als sechsundzwanzig.
    In Bremen hatte er sich seinen Freund und Mentor Thomas Simmern zum Vorbild genommen, doch der erschien Lore in der Erinnerung nun jünger als ihr Mann. Sie seufzte. Thomas hatte ihre erste, scheue Liebe gegolten. Da er jedoch verheiratet war, hatte sie ihre Neigung schließlich Fridolin geschenkt. Nun fragte sie sich, ob es ein Fehler gewesen war, so früh zu heiraten, nur damit sie die Repräsentationspflichten im Palais Retzmann hatte übernehmen und die Seelenruhe ihres Schützlings, Komtess Nathalia, bewahren können.
    Unterdessen setzte Fridolin seinen Vortrag lautstark fort und betonte noch einmal, wie abträglich es seiner Reputation sei, wenn seiner Frau der Geruch eines Ladenlokals anhafte. »Als Vizedirektor des Bankhauses Grünfelder ist es ebenso mein Recht wie meine Pflicht, von dir zu verlangen, diese Schneiderei aufzugeben. Wenn du deiner Freundin nicht zumuten willst, den Laden mit einem fremden Geschäftspartner zu führen, bin ich in meiner Position in der Lage, ihr oder, besser gesagt, ihrem Ehemann einen Kredit zu günstigen Konditionen zu verschaffen!«
    Nun wurde Lore ebenfalls laut. »Mary, die ich nach Deutschland gelockt und überredet habe, den Modesalon mit mir zu eröffnen, soll nun auch noch Zinsen für einen Kredit bezahlen? Eher schenke ich ihr das Geschäft!«
    Fridolin hätte den Streit nur zu gerne beendet und ihr gesagt, dass er mit dieser Lösung einverstanden sei. Doch die eingesetzte Summe war einfach zu hoch. August Grünfelder, der Besitzer der Bank, hatte ihm tags zuvor erklärt, dass er ihn am liebsten nicht nur als Angestellten, sondern auch als Geschäftspartner sähe. Dazu aber müsse er eine größere Einlage in das Eigenkapital der Bank tätigen. Mit Lores Vermögen war dies möglich. Allerdings benötigte er dafür nicht nur ihren Anteil an Mary Penns Modegeschäft, sondern auch die weitaus größere Summe, die in Aktien des Norddeutschen Lloyd angelegt war. An die kam er ohne Lores Zustimmung ebenfalls nicht heran, und solange er darauf bestand, dass sie den Modesalon aufgab, würde er diese niemals erhalten.
    Empört, weil das Gesetz ihn zwar zum Herrn und Vormund über seine Frau machte, ihm aber wegen der abgeschlossenen Verträge die Hände gebunden waren, beschloss er, das Gespräch zu einem Zeitpunkt weiterzuführen, an dem Lore zugänglicher sein würde. Daher wechselte er abrupt das Thema. »Du brauchst übrigens nicht mit dem Abendessen auf mich zu warten. Ich bin bei Grünfelder eingeladen!«
    Lore zog verwundert die Augenbrauen hoch. Es war schon das dritte Mal in dieser Woche, dass ihr Mann bei Grünfelders speiste, und sie war kein einziges Mal mit ihm eingeladen worden. Wahrscheinlich, sagte sie sich, wollten die Herren beim Essen unter sich sein und über ihre Geschäfte sprechen. Dennoch fand sie, dass Fridolin sich von seinem neuen Vorgesetzten etwas zu stark vereinnahmen ließ. In Bremen war er ebenfalls beruflich und gesellschaftlich sehr eingespannt gewesen, aber dort hatten alle Abendeinladungen ihm und ihr gleichermaßen gegolten. Auch in dieser Hinsicht hatten sie dort angenehmer gelebt als hier.
    Nachdem Fridolin das Haus verlassen hatte, haderte Lore noch eine Weile damit, dass er seinen guten Posten in Bremen aufgegeben hatte. Natürlich verstand sie, dass er sich hier als rechte Hand eines Bankbesitzers fühlen konnte, während er beim NDL nur ein Angestellter unter vielen gewesen war. Lore fragte sich, ob übersteigerter Ehrgeiz ihn trieb, kam dann aber zu dem Schluss, dass er all die Jahre in Bremen Sehnsucht nach seiner Heimatstadt Berlin gehabt hatte und sich deshalb hier eine geachtete Existenz aufbauen wollte.
    Sie selbst war voller Neugier hierhergekommen, doch da Berlin ihr Fridolin zunehmend zu entfremden schien, wuchs in ihr die Abneigung gegen diese Stadt, und sie sehnte sich von Tag zu Tag mehr nach Bremen zurück.

II.
    F ridolin hatte dem einzigen Diener, der neben zwei Dienstmädchen bei ihnen angestellt war, befohlen, ihm eine Droschke zu besorgen. Während er wartete, sagte er sich, dass er als zukünftiger Miteigner der Bank dringend ein eigenes Gefährt und einen Kutscher brauchte. Doch das waren Anschaffungen, die er erst tätigen konnte, wenn Geld dafür übrig war. Zuerst musste er sich in die Bank einkaufen. Dieser Gedanke brachte ihn wieder auf Lore und ihr sinnloses Beharren auf diesem Schneiderladen. Damit machte sie ihn zum
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