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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter
Autoren: Lorentz Iny
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ihn nicht wieder. In Bremen war er mit all unseren Plänen einverstanden, und hier hat er uns sogar geholfen, das Ladengeschäft anzumieten. Doch jetzt verlangt er auf einmal von mir, mein Geld zurückzuziehen, damit er sich in Grünfelders Bank einkaufen kann.«
    Mary wurde blass, fasste sich aber rasch. »Wir hätten doch mit einem kleineren Geschäft in einer weniger vornehmen Gegend anfangen sollen. Alleine kann ich den Laden nicht halten. Dann muss ich ihn aufgeben, bevor ich Schulden mache.«
    »Gar nichts wirst du!«, rief Lore resolut. »Ich gehe keine Verpflichtung ein, um mich dann wenige Wochen später aus der Verantwortung zu stehlen. Wir bleiben Partnerinnen! Zum Glück sind unsere Verträge von Thomas Simmern aufgesetzt worden und daher unangreifbar.«
    Unterdessen war Konrad aus der Küche zurückgekommen und brachte zwei Gläser mit leichtem Wein und eines mit Rum. »Ich bin nun mal ein alter Seebär«, meinte er, als Lore den Rum misstrauisch beäugte.
    Schlagartig wurde er ernst. »Wenn Fridolin von dir fordert, dass du dich aus dem Modesalon zurückziehst, wirst du dich seinem Willen nicht widersetzen können.«
    »Oh doch! Mary ist meine beste Freundin, und komme, was wolle: Wir halten zusammen. Fridolin kann auch ein paar Anteile weniger an Grünfelders Bank kaufen.«
    Lore spürte, wie ihre Erbitterung über ihren Mann mit jedem Wort zunahm. »Wir hätten niemals nach Berlin gehen dürfen. Diese Stadt nimmt mir Fridolin weg!«
    Während Mary besorgt die Hände rang, wirkte Konrad nachdenklich. »Es stimmt, er hat sich verändert. In den ersten Wochen war er fast jeden Tag bei uns und hat mit dem kleinen Jonny gespielt, doch seit einiger Zeit lässt er sich nicht mehr blicken.«
    »Wo ist Jonny denn jetzt?«, fragte Lore und sah sich unwillkürlich um.
    »Konrad war vorhin mit ihm draußen. Da hat unser Schatz sich so ausgetobt, dass er während des Abendessens eingeschlafen ist. Ich habe ihn dann zu Bett gebracht.« Um Marys Lippen spielte ein zärtliches Lächeln, das ebenso ihrem Sohn wie ihrem Mann galt.
    In ihrer Heimatstadt Harwich hatte sie als Krüppel gegolten, und es erschien ihr jetzt noch wie ein Wunder, dass sich ein Mann für sie interessiert hatte. Zudem las Konrad ihr nach wie vor jeden Wunsch von den Augen ab. Vieles hatte sie aber auch Lore zu verdanken, die sie nach Deutschland geholt und zu den besten Ärzten gebracht hatte. Zwar konnte sie nicht springen wie ein Reh, aber mit Hilfe eines eleganten Stocks fast normal gehen. Schon aus diesen Gründen wollte sie nicht, dass ihre Freundin ihretwegen Streit mit ihrem Mann bekam.
    Als sie Lore dies in ruhigen Worten zu erklären versuchte, schüttelte diese heftig den Kopf. »Hätte Fridolin von Anfang an gesagt, er wolle sich mit unserem Geld bei seinem Chef einkaufen, hätten wir den Laden tatsächlich nicht in der Haupteinkaufsstraße einrichten müssen. Doch er hat uns zugeredet, es zu tun, und will nun nichts mehr davon wissen. Der Herr Vizebankdirektor meinte sogar, er würde dir und Konrad einen günstigen Kredit einräumen, damit ihr mir meinen Anteil auszahlen könnt.«
    »Aber dann ist doch alles geregelt«, fand Konrad und erntete erneut Lores Widerspruch.
    »Ihr müsstet für einen Fehler Zinsen zahlen, den nicht ihr begangen habt, sondern Fridolin. Das sehe ich nicht ein!«
    »Er ist dein Mann, und du hast ihn doch immer noch lieb. Und es scheint für ihn sehr wichtig zu sein.«
    Auch Marys Appell verfing nicht. Lore dachte an die Jahre, die sie und Fridolin in Bremen verbracht hatten. Damals waren sie glücklich gewesen. Aber das schien eine endlos lange Zeit zurückzuliegen. Nun benahm Fridolin sich so selbstherrlich, als habe sich mit dem Umzug nach Berlin auch sein Charakter geändert.
    Was sollte nun werden? Musste sie wirklich all ihre eigenen Wünsche zurückstellen, nur damit ihr Mann recht behielt? Sie wusste nicht, ob sie das auf Dauer ertragen konnte. Unter all den Menschen, die hier in Berlin lebten, fühlte sie sich einsamer als in dem alten Jagdhaus tief im Wald, in dem sie nach dem Tod ihrer Eltern und Geschwister mit ihrem Großvater hatte leben müssen. Im Grunde hatte sie nur Mary und Konrad als Gesprächspartner. Fridolin verbrachte den ganzen Tag in der Bank und war auch an den Abenden häufig außer Haus, da Grünfelder ihn immer wieder zu sich einlud.
    »Ich denke nicht daran, Fridolin in allen Dingen nachzugeben!«, entfuhr es ihr. »Er lebt in seiner eigenen Welt, an der ich keinen Anteil habe.
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