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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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Wölfe hinter mir her. Ihr Verhalten mir gegenüber hat mir sehr geholfen.“
    Mit einem traurigen Lächeln strich er sich über die Nase.
    „Ich meine nicht Ihre Faustschläge... Ich spreche von Ihrem... Verständnis. Und deswegen wollte ich mich erkenntlich zeigen. Ich brauche nichts mehr, am wenigsten Geld. Das finanzielle Opfer ist also keines...“
    „Hören Sie auf mit dem Quatsch“, beendete ich schroff seine Dankesrede.
    Wir gingen ins Nebenzimmer hinüber. Aulagnier nahm seine Weste von der Stuhllehne und zog sie an. Plötzlich hielt er mir ein Bündel Geldscheine entgegen.
    „Hier, nehmen Sie“, sagte er gleichgültig.
    Ich blickte ihm wortlos ins Gesicht, ein wenig verlegen. Um etwas zu tun, steckte ich mir meine Pfeife in den Mund, ohne sie anzuzünden.
    „Nehmen Sie“, wiederholte er.
    Verdammt, das war wirklich verlockend! Ich beschwor den Geist eines alten Schulmeisters, der gleichzeitig den Rang eines Teufelsaustreibers bekleidet hatte; sagte mir, daß man der Moral, die mich dieser Lehrer gelehrt hatte, eine Chance geben müsse, sagte mir aber auch, daß man nicht übertreiben solle (einer der Lieblingssätze des verstorbenen Pädagogen), daß der Mörder vielleicht untröstlich sei, wenn ich sein Angebot ausschlüge, und falls er darauf bestehen werde...
    Er bestand darauf. Lucien Aulagnier war der geborene Menschenfreund, was er bereits mit dem Mord an Favereau bewiesen hatte.
    „Nehmen Sie“, sagte er zum dritten Mal.
    Ich nahm. Meine Hand zitterte leicht.
    „Das ist nur geliehen“, glaubte ich erklären zu müssen. „Aber ich warne Sie: Ich neige dazu, ständig pleite zu sein! Es ist wirklich nicht klug, mir eine solche Summe anzuvertrauen. Werd mich bemühen, hübsch darauf aufzupassen. Wenn Sie in Untersuchungshaft sitzen, werde ich Ihnen mit dem Geld einen fähigen Anwalt besorgen.“
    Seine Antwort war eine unbestimmte Geste, und jetzt war er es, der sagte:
    „Gehen wir.“
    Er öffnete die Tür. Ich folgte ihm, die Banknoten in meiner Tasche und meine Hand darauf.
    Als wir auf der kleinen Plattform standen, sah ich Kommissar Petit-Martin, begleitet von Marc Covet, quer durch den großen Aufnahmeraum G stapfen. Immer noch auf der Suche nach dem unauffindbaren Täter! Und wahrscheinlich wieder auf einer Spur, die im Sand verlief...
    Trotz des Höllenspektakels, das die Bühnenarbeiter veranstalteten, versuchte ich, die Aufmerksamkeit der beiden auf mich zu lenken. Instinktiv hob der Kommissar den Blick in Richtung Plattform. Ich sah, wie er zusammenzuckte und mit den Armen wedelte. Der Journalist tat das gleiche und stieß noch zusätzlich einen Schrei aus.
    In diesem Augenblick krachte es. Gips spritzte, Glas splitterte, ein Teil der Kulisse fiel unter einem Gewicht in sich zusammen.
    Mich durchlief ein unangenehmer Schauer. Ich sprang zurück, griff nach dem Geländer und fiel, mehr als daß ich mich setzte, auf die Eisentreppe.
    Auf der Plattform stand niemand mehr. Entweder hatte Lucien Aulagnier in seinem Kummer nicht daran gedacht, daß es keine Brüstung gab, oder...
    Ich stand auf und sah nach unten. Man hätte meinen können, der Eisenträger, der den Fall des Kameramanns aufgehalten hatte, warte nur auf dieses Signal, um unter dem Gewicht nachzugeben. Der Körper prallte auf dem harten Zement auf. Die Bühnenarbeiter stürzten herbei.
    „Und nun?“ brüllte der Kommissar in die beklemmende Stille hinein.
    Er hatte von der Siebten Freien Kunst gehörig die Nase voll.
    „Er ist tot, oder?“ fragte ich. „Dann hat die Gerechtigkeit also ihren Lauf genommen, wie man so sagt. Werd’s Ihnen erklären, Kommissar…“

    * * *

    Und so wurde die Agentur Fiat Lux gegründet, Direktor: Nestor Burma. Mit dem Geld eines wenig sympathischen Zeitgenossen und dem seines Mörders. So verlangte es zweifellos die Moral, deren Absichten und Pläne unergründlich sind.

    ENDE

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