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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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automatische Höflichkeitsfloskel geklungen. In meinen Ohren hallte es jedoch merkwürdig wider. Vielleicht lieferte es sich in den tieferen Schichten meines Unbewußten einen harten Kampf mit etwas, das damit in dumpfem Zusammenhang stand. Das mußte der Grund dafür sein, daß es in mir eine ruhende Saite angeschlagen hatte. Ich nahm das Wort jetzt wie durch einen Nebel wahr, so als hätte ich es schon einmal in einer ganz bestimmten Situation gehört. Dessen war ich mir ganz sicher.

    * * *

    Ich ließ die Vaselinecreme einwirken, dann rieb ich das Geschmiere mit einem Handtuch ab und schüttete mir an dem kleinen Waschbecken kaltes Wasser ins Gesicht. Jetzt fühlte ich mich schon viel besser. Ich besah mich im Spiegel und wäre vollkommen mit mir zufrieden gewesen, wenn sich in den Falten meiner Augenlider nicht Reste der Schminke festgesetzt hätten. Meinen Gesichtsausdruck konnte man als grüblerisch bezeichnen. Ja, ich grübelte intensiv. Die Energie, die dabei in meinem Hirn freigesetzt wurde, hätte für einen Episodenfilm mit zweiundfünfzig Folgen ausgereicht.
    „ In natura sehen Sie ja richtig nett aus“, stellte Petit-Martin fest. „Nur ein wenig mürrisch...“
    Ich fragte ihn, ob er mich für einen Moment entbehren könne. Zwar fühlte ich mich frisch, aber ich würde mich noch viel besser fühlen... mit Hilfe der opalartigen Medizin von Ricard oder Pernod, den wohlbekannten Apothekern. Der Kommissar hatte Mitleid mit mir. Meine düstere Miene schrieb er wohl seinen Äußerungen über Intuition und Inspiration zu. Er gab mir die Erlaubnis, mich nach Belieben volllaufen zu lassen. Auch wollte er seine Ermittlungen gerne alleine fortführen. Marc Covet zeigte sich wieder einmal von seiner höflichen Seite und verzichtete darauf, den Kommissar weiterhin mit seiner Anwesenheit zu belästigen. Wahrscheinlich aber hatte er einen ebenso großen Durst wie ich. Auch wollte er dringend mit seinem Käseblatt telefonieren. Doch Petit-Martin hielt ihn zurück. Ohne Scheu, sich innerhalb kurzer Zeit zu widersprechen, befahl er ihm:
    „Sie bleiben! Wer weiß, was Sie anstellen, wenn Sie auf sich selbst gestellt sind. Sie sind imstande und setzen Ihre Karriere am Telefon aufs Spiel. Bei uns dagegen können Sie noch viel lernen. Ich verbiete Ihnen, sich mehr als drei Meter von mir zu entfernen!“
    Der Journalist hob seine schlecht gesäuberten, vaselineglänzenden Augenbrauen und ergab sich in sein Schicksal.
    Ich war entlassen. Eben hatte ich noch die Absicht gehabt, mich direkt in die Kantine zu begeben. Der letzte Satz des Kommissars änderte jedoch meinen Plan. Er löste eine ganze Serie von Gedanken aus, und als ich auf dem Korridor stand, wußte ich, daß ich auf der richtigen Spur war. Nur daß ich nicht schon viel früher darauf gekommen war, das verzieh ich mir nicht! Was meine Netzhaut wahrnahm, brauchte eine verdammt lange Zeit, um in meine Gehirnzellen zu gelangen. Ich mußte dieses Übermittlungssystem unbedingt verbessern! Das würde für alle nur Vorteile bringen.

11

Happy-End

    Ich machte mich unverzüglich auf die Suche nach dem Regisseur. Von ihm erhoffte ich mir Auskunft über eine bestimmte Person, von der ich mir ebenfalls viel erhoffte.
    Am Schauplatz der Studioaufnahmen traf ich nur noch einen einzigen Mann, der an einem Pfeiler stand und rauchte. Über ihm hing ein riesengroßes Schild mit der Aufschrift „Rauchen verboten“. Der Mann teilte mir mit, daß Marcel Naudot in seinem Büro sei, und beschrieb mir den Weg dorthin.
    Der Regisseur war von seinem engsten Stab umgeben. Ein schneller Rundblick überzeugte mich davon, daß derjenige, den ich suchte, sich nicht unter den Anwesenden befand.
    Die Gruppe diskutierte die Situation, die sich aus dem tödlichen Zwischenfall ergeben hatte. Der Film sollte unbedingt zu Ende gedreht werden, koste es, was es wolle. Obwohl gut die Hälfte der Arbeit bereits abgeschlossen war, schaffte das Ausscheiden des männlichen Hauptdarstellers brennende Probleme. Und so war die Stimmung denn auch alles andere als kühl.
    Marcel Naudot erkannte mich natürlich nicht, denn mein wahres Gesicht hatte er noch nie gesehen. Als ich mich vorstellte, wurde seine Miene noch um einen Ton düsterer. Ich versuchte, so liebenswürdig wie möglich meine Anwesenheit zu erklären.
    „Ich nutze die Drehpause“, sagte ich lächelnd, „um mich ein wenig um private Dinge zu kümmern. Ich glaube, in Ihrem Kameramann einen alten Freund von mir erkannt zu haben. Das ist doch
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