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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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Schwenk, Überblendung, Bildeinstellung, Doppelbelichtung, Happy-End...
    Der Scharfsinn, mit dem Nestor Burma eine verdächtige Änderung im Drehbuch aufspürt, verrät eine gewisse Studioerfahrung Malets. Dieser Eindruck bestätigt sich auch bei der Darstellung der Atmosphäre und des Inventars der kinematographischen Fauna, von der Garderobiere bis hin zum Regisseur, einschließlich des russischen Maskenbildners, des typischen Gehilfen des Kinos vor 1939: „... der ehemalige Oberst der zaristischen Armee, jetzt Maskenbildner von Sowjets Gnaden…“
    Die Kenntnisse dieses Milieus hat Malet erworben, als er — durch die Protektion des Drehbuchautors Jacques Prévert — in verschiedenen Filmen mitspielt: Forfaiture (Verrat), L’Assassinat du courrier de Lyon (Der Mord von Lyon), Quai des Brumes (Brücke im Nebel), Le Jour se lève (Der Tag bricht an), La Tradition de Minuit (Mitternachtsbrauch), Lettres d’Amour (Liebesbriefe), Le Voyageur de la Toussaint (Der Reisende zu Allerheiligen), Adieu Léonard ...
    Die Filmschauspielerei ist eine weitere Gemeinsamkeit in den Biographien von Léo Malet und Nestor Burma. Letzterer wird für Sumpfblüte engagiert, wo er einen üblen Burschen darstellen soll, dessen rechtes Auge halb zugeschwollen ist. „Der Grund dafür konnte ein erstklassiger Faustschlag gewesen sein... oder der liederliche und wenig hygienische Lebenswandel meiner Vorfahren.“
    In Wirklichkeit aber wird Nestor Burma von dem männlichen Hauptdarsteller des Films engagiert. Er soll ihm hautnah Schutz gewähren, allerdings nur innerhalb des Filmstudios. Nestor Burma leistet schlechte Arbeit: „Julien Favereau hatte um sein Leben gefürchtet. Zu Recht.“
    Verborgen hinter der Maske eines Statisten lernt Burma einen anderen falschen Schauspieler kennen: einen Journalisten namens Marc Covet. Dieser ist soeben Mitarbeiter des Crépuscule geworden, nachdem man ihn beim Réveil entlassen hatte... auf Veranlassung von Julien Favereau, der mit einem Artikel nicht einverstanden war. Wenn man der Telefonnummer, die Covet angibt, Glauben schenkt (G-U-T 80-60), dann befand sich der Crépuscule im Jahre 1935 in demselben Haus wie der Intransigeant: 100, rue Réaumur (2 e ). Nach der Befreiung logiert bis Ende 1988 France-soir in diesem Gebäude.
    Marc Covet hat sich ebenfalls als Statist eingeschlichen, um Worte und Taten des Filmstars zu studieren und daraus eine Reportage zu machen, die seine Stellung beim Crépuscule endgültig sichern soll.
    Kommissar Petit-Martin, der den beiden Statisten während seiner Ermittlungen im Studio begegnet, betrachtet sie geringschätzig als nicht weiter störende Anfänger in ihrem jeweiligen Beruf. Er hat weder von dem einen noch von dem andern je etwas gehört.
    Aus gutem Grund: Dies ist die erste Ermittlung des zukünftigen dynamischen Detektivs Dynamit-Burma. Noch ist er weder seinem späteren Freund und Widersacher, Inspektor Florimond Faroux, noch Hélène Chatelain, seiner treuen Sekretärin, begegnet. Übrigens wird er mit dem ersten — unverdienten! — Honorar seine Agentur gründen, die Agentur Fiat Lux, Direktor: Nestor Burma.
    Was hat Nestor Burma gemacht, bevor er sich als Leibwächter verdingt? „Mit Dichtern verkehrt“, gesteht er der Witwe des vorzeitig verstorbenen Schauspielers...
    Francis Lacassin

Aufblende

    Die Garderobiere, eine verhutzelte alte Schachtel mit Affengesicht, roter Schnapsnase und ausgebleichtem Haar, ordnete die Kleidungsstücke, die neben mir auf dem Sofa ausgebreitet waren.
    Julien Favereau, der Leinwandstar, saß vor seinem Toilettentischchen und schminkte sich ab.
    Er war ein gut aussehender Mann, der seine vierzig Jahre allerdings nicht verhehlen konnte. Die samtenen, braunen Augen blitzten hin und wieder verschlagen und unsympathisch auf. Sein Gesicht war schön, das konnte man ihm nicht absprechen; eine übermäßige Intelligenz war darauf jedoch nicht zu entdecken. Auf seiner Stirn machte sich vornehm eine leichte Kahlköpfigkeit breit.
    Er saß mit dem Rücken zu mir, und im Spiegel sah ich sein Gesicht. Wenn ich mich ein wenig streckte, tauchte auch mein eigenes Gesicht über den Schminkdöschen auf.
    Ein seltsames Bild!
    Ein ehemaliger Oberst der zaristischen Armee hatte mir dieses komische Gesicht verpaßt. Wenn er nur ein halbwegs so guter Militärstratege wie Maskenbildner gewesen wäre, hätten Wrangel und seine Leute keine Prügel bezogen. Um in der Welt der Toupets und falschen Bärte zu bleiben: Davidovitch Trotzki
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