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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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allemal mit Ihnen klären. Schicken Sie die Mona Lisa zum Zigarettenholen…“ Ich wies mit meinem bärtigen Kinn auf die Garderobiere. „Ich weiß nicht, ob mich ihre Anwesenheit deshalb stört, weil sie mich an meine Großmutter oder an die Ruinen Pompejis erinnert oder weil sie einen Vorgeschmack darauf gibt, wie Mirna Loy in fünfzig Jahren hier rumlaufen wird, aber ich fühle mich irgendwie gehemmt.“
    „Sie können vor Marie offen sprechen.“
    „Ach, Marie heißt sie!“
    Das hatte noch gefehlt. Die alte Marie warf mir einen gehässigen Blick zu. Der Vergleich mit Leonardos Meisterwerk hatte ihr wohl mißfallen. Ich gab mich geschlagen.
    „Mir soll’s egal sein“, sagte ich resigniert.
    Ich räkelte mich auf dem Sofa wie einer, dem’s wirklich egal ist. Dann fuhr ich fort:
    „Mir scheint, ich bin ein eigenartiger Leibwächter. Mit beschränkter Haftung, sozusagen. Mein Schutz wird nur gelegentlich benötigt, wenn ich recht verstehe. Nur an einem bestimmten Ort. Und dieser Ort ist das Studio. Hier lauert also die schwebende Gefahr? Draußen fühlen Sie sich sicher, so idiotisch das klingen mag. Eine Gefahr, die zeitweise schläft, anstatt zu schweben und zu lauern! Tja, gefällt mir gar nicht, dieses Blindekuhspiel... Sagen Sie mir doch klipp und klar, woher der tödliche Wind weht!“
    Um meiner Bitte Nachdruck zu verleihen, stieß ich eine dicke Rauchwolke aus. Als sie sich verzogen hatte, startete ich einen Versuchsballon:
    „Marchand?“
    Favereau saß wieder mit dem Gesicht zum Spiegel. Jetzt wirbelte er herum, seine Augen blickten mich erstaunt an.
    „Gehen Sie bitte hinaus, Marie!“ befahl er.
    Das Hutzelweib gehorchte.
    „Was wissen Sie von Marchand?“ fragte er, nachdem sich die Tür geschlossen hatte.
    Ich schickte eine zweite Rauchwolke zu dem feuchten Fleck an der Decke. Die Garderoben des Studios mußten dringend neu gestrichen werden.
    „Das, was alle wissen“, antwortete ich auf seine Frage. „Daß er eine Tochter hatte, die sich in Sie verguckt hat. Wie alle. Und daß Sie keine Skrupel hatten, das Blümchen am Wegesrande zu pflücken. Als Sie die Kleine dann wieder fallenließen, war sie schwanger. Und als sie nicht mehr schwanger war, hatte der Staat keinen zusätzlichen Soldaten, sondern eine Bürgerin weniger. Ein gewisser Eingriff... Abtreibung, falls Sie nicht wissen, was ich meine. Marchands Tochter hat es nicht überlebt. Natürlich sind Sie nicht ihr unmittelbarer Mörder, aber für Vater Marchand macht das keinen Unterschied. An Ihrer Stelle würde ich mich von der Beleuchterbrücke fernhalten. Er als Beleuchter kann Ihnen von dort oben leicht einen Scheinwerfer auf den Kopf fallen lassen... Und dann gibt es da noch den Maskenbildner, der eben bei den Studioaufnahmen dabei war. Ein Landsmann von Wladimir. Keine Ahnung, was Sie dem Mann getan haben. Aber wenn man hört, wie er Ihren Namen ausspricht, könnte man meinen, er hielte Sie für den Pförtner des Hauses Ipatiev, der Schlachthausfiliale, in der man seinen Zar ermordet hat.“
    Favereau lächelte sein unwiderstehliches Lächeln, das so viele unerfahrene junge Mädchen — aber nicht nur die! — bezauberte. Auf Nestor Burma übte es jedoch eine eher mäßige Wirkung aus.
    „Raymonde hat sich töricht verhalten“, erklärte der Filmstar. „Wenn Sie auf mich gehört hätte, würde sie noch leben. Von dem Maskenbildner hab ich mir hin und wieder die Frau... äh... ausgeliehen. Tageweise.“ Er lachte über seinen gelungenen Scherz. „Davon gibt es eine ganze Reihe, in jedem Studio...“
    Selbstgefällig grinste er sein Spiegelbild an. Die Erinnerung an seine Abenteuer erfreute ihn offensichtlich. Es gibt widerlichere Zeitgenossen. Ich hatte aber auch schon sympathischere kennengelernt.
    „Und noch ein dritter hält Sie für einen Scheißkerl“, konnte ich mich nicht enthalten zu bemerken. „Ich muß feststellen, daß er über sehr gute Menschenkenntnisse verfügt.“
    „Aber ja, aber ja“, stimmte er mir gönnerhaft zu. „Doch ich frage mich, ob es einem Privatdetektiv — den ich bezahle! — zusteht, mir eine Moralpredigt zu halten?“
    „Oh, nein!“ rief ich. „Von mir aus können wir das Thema gerne fallenlassen. Darüber könnte man sich noch monatelang den Mund fusslig reden. Nur... Auf wen soll ich denn nun aufpassen, auf den Beleuchter oder auf den Maskenbildner?“
    „Auf keinen von beiden“, konterte er. „Von denen droht mir keine Gefahr. Die hätten’s schon lange getan, wenn sie die
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