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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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das ich für übertrieben hielt. Doch viel Zeit zum Diskutieren blieb uns nicht. Favereau zog sich in Windeseile um und schminkte sich. Die altersschwache Garderobiere reichte ihm, stumm wie ein Fisch, die Kleidungsstücke und stellte die Schminktöpfchen zurecht.
    Es wurde an die Tür geklopft. Ein Rothaariger — wohl so was Ähnliches wie ein Regieassistent — steckte seinen Kopf herein und sagte betont höflich: „Entschuldigen Sie, Sie werden gleich bei der Aufnahme gebraucht, Monsieur.“
    Favereau brummte etwas Unverständliches, beendete die Schminkprozedur und zog sich die bereitgestellten Schuhe an.
    „Sie kommen mit mir“, befahl er. „Bei der Aufnahme heute werden keine Statisten benötigt, aber ich habe dem Regisseur von Ihnen erzählt. Für die anderen sind Sie ein Freund von mir, der knapp bei Kasse ist und dem ich eine Statistenrolle verschafft habe.“ Ich konnte mir nicht verkneifen zu sagen:
    „Ein Freund von Julien Favereau? So was gibt es tatsächlich?“ Er überhörte meine sarkastische Bemerkung.

    * * *

    Unter den Scheinwerfern auf der Szene war es heiß.
    Marcel Naudot war ein charmanter Regisseur. Einer von der sanften Sorte, exzentrisch weder in seiner Kleidung noch in seiner Ausdrucksweise. Doch die Tatsache, daß er mit Julien Favereau arbeitete, rief eine gewisse Nervosität bei ihm hervor.
    Man drehte gerade eine Szene mit dem anderen Star des Films, der Schauspielerin Janine Baga. Unvorhergesehene Schwierigkeiten hatten die Aufnahmen ein wenig verzögert, und dem Regisseur war es gar nicht recht, daß er Favereau warten lassen mußte.
    Ohne ein sichtbares Zeichen von Verärgerung nahm mein Klient auf einem Stuhl Platz, dessen Rückenlehne mit seinem Namen versehen war. Ich stellte mich neben ihn.
    Regisseur, Regieassistent und Kameramann nebst Assistenten scharten sich um die Kamera. Die Bühnenarbeiter bewegten sich auf leisen Sohlen, und der Tonassistent stützte sich auf einen Galgen wie auf eine Hellebarde. Dachte er an den Tod von Ludwig XVI., oder grübelte er über die richtige Haltung nach, für den Fall, daß ihm ein Schweizer Käse auf den Kopf fallen sollte?
    Die Kulisse stellte eine Art Salon im Rokokostil dar. Ich verstand nicht so recht, was das mit einer Blüte im Sumpf zu tun hatte, hielt aber den Mund. Schließlich war ich nicht als Filmkritiker hier.
    Janine Baga stand rauchend mit ihrer Garderobiere zusammen. Als sie ihren Partner bemerkte, ging sie auf ihn zu.
    Bisher hatte ich die Schauspielerin nur auf der Leinwand gesehen. Ich war enttäuscht. Bald würde für sie die letzte Runde eingeläutet werden, und dann winkte die Pension. Ihre wunderschönen großen Augen, von einem sanften Blau und voller Güte, würden sie nicht ewig herausreißen.
    Ich tauschte mit Favereau einen bedeutungsvollen Blick und zog mich diskret zurück.
    Da mich die Arbeit der Techniker interessierte, sah ich mich ein wenig hinter den Kulissen um. Überall stolperte man über Kabel. Ich beobachtete den Ersten Kameramann, der in diesem Augenblick seine Anweisungen für die Beleuchtung gab. Dabei hatte er so etwas wie ein schwarzes Monokel in einem Auge.
    Hinter einem Gerüst wurde geflüstert. Ich brachte es nicht fertig, zweimal hintereinander diskret zu sein. Das geht gegen meine Natur. Ich spitzte die Ohren.
    „Ist denn Favereau immer noch mit ihr zusammen?“ zischelte eine Frauenstimme.
    „Sie sehen sich von Zeit zu Zeit... Und solange sie Geld hat...“
    „Madame Janine ist viel zu gutmütig... Aber ich glaube, sie ist es so langsam leid...“
    „Andrée!“ rief Naudot und beendete auf diese Weise das Getratsche.
    „Ja.“
    Das Skriptgirl eilte zum Regisseur. Ich tat ein paar Schritte, so daß ich hinter das Gerüst blicken konnte. Andrées Klatschpartnerin war niemand anders als die Garderobiere von Janine Baga gewesen.
    „Bitte beeilen, Kinder!“ flehte Naudot.
    „Alles bereit“, antwortete jemand, der allzeit bereit war.
    „Die 16 einschalten“, ordnete der Kameramann an, dem das wahrscheinlich zu schnell ging.
    Eine Bogenlampe knisterte und tauchte die Szene in ein malvenfarbenes Licht.
    „Madame Baga, bitte“, bat der Regisseur.
    Die Garderobiere ging zu ihrem Schützling. Beide zusammen betraten die Szene, doch dann blieb Janine Baga in ihrem schwarzen Kleid alleine im gleißenden Scheinwerferlicht zurück. Der Regisseur gab seine Anweisungen.
    Ich war wieder zu Favereau gegangen und beobachtete das Ganze als interessierter Laie.
    Die Schauspielerin mußte
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