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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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die Alte meine Worte verstanden hatte und wieder zu sich kommen würde. Auf der Suche nach einer Telefonkabine verirrte ich mich in dem Labyrinth von dunklen Korridoren, wodurch ich viel Zeit verlor. Als ich das Gewünschte dann endlich am Ende eines spärlich ausgeleuchteten Flures fand, mußte ich über den vier Fernsprechern lesen, daß man sich die erforderlichen Jetons in der Kantine besorgen könne. Ich begab mich also wieder zu meiner Freundin, der Kantinenschönheit. Ob ich wohl heute noch den zuständigen Kommissar des Viertels an die Strippe kriegte? Doch, es gelang mir. Ich hielt mich nicht mit weitschweifigen Erklärungen auf, sagte dem Flic nur, daß Julien Favereau tot und ich der Meinung sei, daß sein Fall die Kriminalpolizei interessieren könne.
    Kaum hatte ich wieder aufgelegt, als sich jemand wie wild auf den Apparat stürzte. Er machte den Eindruck eines Eisenfressers, der lange nichts mehr zwischen die Zähne gekriegt hatte. Während er eine Nummer wählte, sprang er aufgeregt von einem Bein aufs andere. Seine Kleidung und sein ockerfarbenes Gesicht mit den falschen Koteletten verrieten seinen Beruf. Bestimmt trat er in der Ballszene der Sumpfblüte auf.
    Ich wollte mich schon entfernen, als seine Verbindung zustande kam und seine ersten Worte mich zurückhielten.
    „Hallo, Albert?“ brüllte er in die Muschel. „Ja, ich hab was... Wenn ich sage, ich hab was, dann hab ich was! ... Sag ich doch, eine Sensation! ... Der Dreckskerl ist tot! ... Nein, ich mache keine Witze, auch wenn es sich fröhlich anhört... Ist das etwa kein Grund zur Freude? ... Natürlich halt ich dich auf dem laufenden!“
    Er knallte den Hörer auf die Gabel. Ein wenig ruhiger jetzt, steckte er sich eine Zigarette ins Gesicht und zündete sie an. Im Schein des Feuerzeuges sah ich zwei etwas wässrige Augen, die darauf schließen ließen, daß der Kerl eben nicht nur Wasser trank. Intelligent sah er aus, gewitzt und furchtbar sympathisch. Ich ging auf ihn zu.
    „Mit dem ,Dreckskerl’ haben Sie doch bestimmt Favereau gemeint, oder?“ fragte ich. „Scheint sich ja schnell rumgesprochen zu haben...“
    Er musterte mich neugierig und hob die Hand.
    „Erzählen Sie mir bloß nicht, daß er Ihnen leid tut!“ rief er. „Es sei denn, hinter Ihrer Maske versteckt sich ‘ne Frau... Das könnte ich glatt in meinem Artikel verwenden.“
    „Artikel? Sind Sie Journalist?“
    „Beim Crépuscule. Das Blatt wird seine Auflage enorm steigern, wenn der Chefredakteur mich zeigen läßt, was ich kann!“
    „Ich könnte Ihnen ‘n paar Zusatzinformationen für Ihren Artikel liefern“, erwiderte ich lachend. „Anscheinend gibt es hier in dem ganzen Haufen außer den Stars kaum einen echten Schauspieler! Ich bin nämlich auch nur ein echter Falscher. Außerhalb des Studios bin ich Privatdetektiv.“
    „Na prima!“ rief er. „Dann sind wir ja so was Ähnliches wie Kollegen.“
    „Kollegen? Von Berufs wegen müßte ich eigentlich mißtrauisch sein, aber Ihr Gesicht gefällt mir... trotz der Koteletten.“
    „Beruht auf Gegenseitigkeit, nur mit dem Unterschied, daß ich Ihre Fratze prima finde. Hoffentlich haben Sie in natura keine Ähnlichkeit mit Tino Rossi...“
    „Keine Angst. Außerdem singe ich nicht, und eine Gitarre hatte ich noch nie im Arm.“
    „Gott sei Dank!“
    „Aber sagen Sie mir jetzt endlich, was Sie sind. Journalist, Privatflic oder was?“
    „Na ja... äh...“ Er hüstelte. „Sollten wir uns vielleicht mal vorstellen?“
    „Nestor Burma.“
    „Marc Covet.“
    Wir drückten uns die Hand.
    „Mein Name scheint Sie nicht in Begeisterung zu versetzen, was?“ lachte mein neuer Freund etwas enttäuscht.
    „Wenn Sie’s tröstet: Meiner hat Sie auch nicht grade vom Hocker gerissen!“
    „Tja... Burma — Covet, Covet — Burma... Das sind Namen wie Dupont oder Durand, aber die hat wenigstens jeder schon mal gehört. Glauben Sie, wir beide werden eines Tages die großen Stars, jeder in seiner Branche?“
    „Wir werden’s versuchen, jeder in seiner Branche.“
    (Und wir schafften es. Doch benötigten wir — wie die großen Feldherrn — eine hübsche Sammlung weniger hübscher Leichen, um zu einiger Berühmtheit zu gelangen.)
    „Übrigens...“ Er lächelte. „Sie wollten wissen, warum ich mich als Ihr Kollege bezeichnet habe..
    Wieder hüstelte er. Ich hatte das Gefühl, daß dieser Journalist etwas wußte, was ich nicht wußte. Sein Vertrauen könnte mir noch nützlich sein. Also bemühte ich mich, es
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