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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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Was genau hat Ihnen denn unser Don Juan getan? Ging’s um eine Frau?“
    Er zögerte einen Augenblick.
    „Ja, es ging um eine Frau“, sagte er dann verträumt. „Wie immer.“
    „Ja, wie immer...“
    Wieder fuhr er sich mit der Hand über das geschwollene und erschöpfte Gesicht.
    „Ich werde es dem Untersuchungsrichter mitteilen. Aber jetzt...“
    Er sah mich vertrauensvoll an, und plötzlich wurde er gesprächig:
    „Sie scheinen kein schlechter Kerl zu sein. Ihre Intuition hat Sie nicht getäuscht. Ja, ich habe Favereau getötet, und zwar genauso, wie Sie es geschildert haben: mit dem Bandmaß, das ich mit einem Gift präpariert hatte. Ein italienisches Gift...“
    „Borgia“, murmelte ich und dachte an den Gerichtsmediziner. Er würde sehr mit sich zufrieden sein.
    „Ich habe das Gift auf einer Reise durch Italien kennengelernt. Zu Hause habe ich es analysiert und dann selbst hergestellt. Chemie ist mein Steckenpferd, müssen Sie wissen... Tja, so war das. Und das Motiv... Es kostet mich sehr viel Überwindung, darüber zu sprechen... Nicht daß Sie meinen, ich würde es bereuen!“ rief er plötzlich lebhaft. „Nein, ich bereue es nicht! Seit mehr als einem Jahr denke ich jetzt schon daran, mich zu rächen. So lange habe ich nämlich das Gift. Ach, es waren wunderbare Monate... Sich vorzustellen, wie Favereau stirbt, von meiner Hand! Und dann, als es tatsächlich geschehen war... Verstehen Sie mich recht, es ist nicht die Angst vor der Strafe. Ihnen kann ich’s ja sagen, Sie sind kein richtiger Flic. Nein, es ist etwas anderes. Der Gedanke, ein menschliches Leben ausgelöscht zu haben, ist mir unerträglich. Daß ich mich zum Richter aufgeworfen habe... Viele Leute werden die Beweggründe meiner Tat nicht verstehen. Das ist eine Sache der Moral.“
    „Ich verstehe Sie“, versicherte ich ihm. „Aber unsere Gesellschaft...“
    „Unsere Gesellschaft ist zum Kotzen“, fauchte er. „Einverstanden, aber was können wir tun? Haben Sie noch nie von diesen Revolutionären gehört, die die Gesellschaft verändern wollen? Nachher ist es dann schlimmer als vorher. Also, vergessen Sie’s und lassen Sie die Karre einfach laufen!“
    „Der Mensch ist eine Fehlkonstruktion“, sagte der Kameramann kopfschüttelnd. „Jemanden wie Favereau umzubringen, sollte einem keine Gewissensbisse verursachen.“
    „Ja, verdammt nochmal, dann haben Sie doch keine!“
    Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Wenn ich Sie wegen Ihrer Tat beglückwünsche, würde Sie das wieder aufrichten?“ fragte ich. „Ja? Also dann: Herzlichen Glückwunsch! Und ich bin nicht der einzige, der so denkt, das können Sie mir glauben... So, jetzt atmen Sie mal kräftig durch, und dann gehen wir zum Kommissar. Vor allem: Lassen Sie den Kopf nicht hängen! Abgerissen wird er Ihnen wohl kaum. Mildernde Umstände und Erkundigungen über den Lebenswandel des Opfers sind allgemein üblich.“
    „Ach, das ist mir egal“, erwiderte er schwach. „Dieser Dreckskerl hat mein Leben sowieso ruiniert.“
    Er nahm meine Hand und drückte sie herzlich. „Lachen Sie nicht! Ich bin Ihnen wirklich dankbar dafür, daß Sie mich überführt haben. Ich hätte nicht gewußt, was ich tun sollte. Ich...“
    Resigniert hob er die Schultern.
    „Gehen wir“, sagte ich.
    Lucien Aulagnier erhob sich wie ein Automat. Er wühlte in seiner Tasche und zog ein paar zerknitterte Hundertfrancsscheine hervor, um sie gleich wieder einzustecken. Seine Augen glänzten eigenartig.
    „Ich habe zwanzigtausend Francs in meiner Brieftasche“, sagte er mit einer Geste zum Nebenzimmer hin. „Mein gesamtes Vermögen. Ich möchte...“
    Ich pfiff anerkennend durch die Zähne.
    „Aber, aber, Monsieur Aulagnier!“ lachte ich. „Sie sind ein hervorragender Schauspieler. Wollen Sie die Nachfolge Ihres Opfers antreten? Haben Sie geglaubt, Sie könnten mich kaufen? Bedaure. Sie kommen nicht zu spät, sondern zu früh! Nach meinem x-ten Fall werde ich so ein Angebot sicher gerne annehmen, aber ich bin neu in der Branche. Den Mörder des berühmten Filmstars zu entlarven, seinen Namen urbi et orbi zu verkünden und dafür in den Zeitungen als Held gefeiert zu werden, das hat für mich einen unendlich größeren Wert als Geld. Sie sehen, auch ich schlage mich mit moralischen Problemen herum.“
    „Sie haben mich mißverstanden“, entgegnete der Kameramann ernsthaft betrübt. „Ich wollte Sie nicht bestechen. Aber seitdem er tot ist, fühle ich mich, als wäre ein Rudel
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