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Der Suender und die Lady

Der Suender und die Lady

Titel: Der Suender und die Lady
Autoren: Kasey Michaels
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PROLOG
    E r richtete sich nicht nach der Mode, er kreierte sie. Ihn umwehte das Flair der vornehmsten Salons im Paris der Nachkriegszeit, er roch geradezu nach weltmännischer Kultiviertheit. Als er Gefallen daran fand, sein blondes Haar schulterlang wachsen zu lassen, beeilte sich die Hälfte aller modebewussten jungen Leute, es ihm gleichzutun; ein paar verstiegen sich dazu, auf Haarteile zurückzugreifen.
    Er ritt einen Fuchsschimmelhengst mit einer weißen rautenförmigen Blesse. Die Verkaufszahlen von Fuchsschimmelhengsten schossen in die Höhe, ebenso wie die Einkünfte eines gewissen Jacques Dupuis, eines früheren Jockeys und wahren Künstlers im Weißmalen.
    Er konnte eine Geige schluchzen lassen, einem Pianoforte neckische Töne entlocken, und er spielte Flöte, weil er es amüsant fand. Arbeitslose Musiklehrer wurden plötzlich überrannt von der Nachfrage nach Unterricht, und jemand, der Musik als „eingängige Geräuschkulisse“ bezeichnete, war noch nie den Bemühungen Dutzender unmusikalischer französischer Stutzer ausgesetzt gewesen.
    Er mied das Theater, und die Kartenverkäufe brachen ein. Er machte einen Scherz, und ganz Paris lachte. Junge Damen träumten von ihm, junge Männer wetteiferten darum, mit ihm gesehen zu werden. Gastgeberinnen überschütteten ihn mit Einladungen … zu ihren Partys, in ihre Boudoirs.
    Sie nannten ihn Puck, und der Name entzückte sie. Er war so überaus inakzeptabel und doch überall willkommen.
    Er war le beau bâtard anglais , der schöne englische Bastard, das geliebte Hätschelkind der Pariser Gesellschaft, er war rundum wunderbar.
    Und jetzt hatte er der unverhohlen bestürzten Stadt Paris Adieu gesagt und war in sein Herkunftsland zurückgekehrt, gerade rechtzeitig zum Beginn der neuen Saison in London.
    Wo er nur als Robin Goodfellow Blackthorn bekannt war.
    Als der Bastard.
    Puck posierte am Kaminsims im opulenten Salon des äußerst luxuriösen Herrschaftshauses am Grosvenor Square, mitten im Herzen des eleganten Mayfair. Er wirkte ungezwungen in seinen vornehmen französischen Kleidern. Seine Krawatte war ein Meisterwerk, das Wohlgefallen seines Schneiders am schönen Körperbau des Kunden zeigte sich im exquisiten Schnitt der schwarzen Tuchjacke und der auf den hochgewachsenen, schlanken Leib geschneiderten engen Hosen.
    Er trug sein einnehmendstes Lächeln mit der Leichtigkeit langjähriger Übung zur Schau und verbarg die Intelligenz in seinen faszinierenden blaugrünen Augen. Alles hing davon ab, wie er die Ereignisse der bevorstehenden Minuten steuerte, und doch hatte er dem zufälligen Beobachter leutselig, töricht und so gefährlich wie eine Pusteblume zu erscheinen.
    In Wahrheit war er auf der Hut, skeptisch gegenüber den zwei Herren, die er als entschieden vielschichtiger kannte als irgendein beliebiges Paar langweiliger Engländer, die ihre Ahnen vielleicht bis zur Sintflut zurückverfolgen konnten, ansonsten aber vermutlich strohdumm waren.
    Seit einer Viertelstunde spielten sie Katz und Maus, redeten über dies und jenes, und jeder tat so, als wäre sein Gegenüber alles andere als das, was er war. Wer aus diesem Eiertanz aus schnellem Geist und Täuschung als Sieger hervorgehen würde, stand in den Sternen, doch Robin Goodfellow Blackthorn zog es ausnahmslos vor, auf sich selbst zu setzen.
    „Ich liebe das ländliche England“, bemerkte Puck völlig zusammenhanglos. Niemand hatte dieses Thema bislang angesprochen. „Die Gegend um Gateshead zum Beispiel ist sehr zu empfehlen. Wirklich, über Gateshead könnte ich mich stundenlang auslassen.“
    Als ihm dieser Ball zugespielt wurde, brach Baron Henry Sutton endlich das sinnlose höfliche Geplänkel ab und kam zur Sache, wozu es ihn, wie Puck wusste, schon seit seiner Ankunft mächtig drängte.
    „Sie wollen uns erpressen?“ Der Baron sah seinen Freund, einen gewissen Richard Carstairs, an und sagte: „Da haben wir’s, Dickie. Der Bastard versucht, uns zu erpressen.“
    „Ach, schwerlich, Mylord, wenngleich ich leise protestieren muss, denn ich sehe keinen Grund, die Umstände meiner Geburt in diesem Zusammenhang zur Sprache zu bringen“, widersprach Puck, löste sich vom Kaminsims und nahm den Kampf auf. „Ich hatte mich nur meiner früheren flüchtigen Bekanntschaft mit unserem Mr Carstairs hier erinnert, anlässlich eines netten Abends, den wir beide in Gateshead verbrachten. Ein hinreißendes Städtchen, wenn auch ein bisschen weitab vom Schuss für einen Gentleman wie
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