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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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ziemlich ungelenk, aber die Orthographiefehler finde ich mißlungen. Ein Ungebildeter hätte andere gemacht. Verstehen Sie, was ich meine?“
    „Vollkommen.“
    „Vielleicht“, fügte ich nachdenklich hinzu, was die Bedeutung meiner Vermutung unterstreichen sollte, „hat Favereau den Brief einem Betrunkenen diktiert, den er irgendwo auf der Straße aufgegabelt hat. Ein Umschlag existiert nicht, und ich wüßte nicht, warum er ihn weggeworfen haben sollte. Der Drohbrief kam nicht mit der Post. Lag einfach so in der Brieftasche des Toten. Für das Nichtvorhandensein des Briefumschlags hatte Favereau bestimmt eine Erklärung parat.“
    „Auch Sie sind um Erklärungen nicht verlegen“, bemerkte Petit-Martin. „Für jedes unbedeutende Detail haben sie eine!“
    „Nein, nur für dieses hier. Ansonsten genügt eine einzige Erklärung, und zwar die einzig richtige! Favereau engagiert mich, einen — entschuldigen Sie das Wort — blutigen Anfänger. Er verpflichtet mich zu absoluter Diskretion. Er selbst hält sich allerdings nicht an diese Vereinbarung. Wladimir, mein persönlicher Maskenbildner, weiß, daß ich zu Favereau gehöre. Auch dem Regisseur hat Favereau erzählt, daß ich ein Freund — ein Freund! — von ihm sei, und so konnte ich auch dann bei den Dreharbeiten dabeisein, wenn Statisten auf der Szene nichts zu suchen hatten. Das alles gehört zu den merkwürdigen Dingen, die mir so aufgefallen sind. Wie zum Beispiel die Tatsache, daß Favereau die Gefahr für Leib und Leben nur innerhalb des Studios witterte. Warum legte mein Klient so großen Wert darauf, daß mich einige Leute für seinen geheimnisvollen Freund hielten? Um das später bezeugen zu können! Favereau hat sich nicht nur auf meine Zeugenaussage verlassen wollen. Doppelt genäht hält besser, das war seine Devise! Ein gewissenhafter Mensch, allerdings nur bei der Arbeit. Also, die Rollen sind besetzt: der Mann, der bedroht wird, der Leibwächter, der ihn beschützt, und die Zeugen. Vorher hat Favereau den Requisitenrevolver geladen. Das muß gestern passiert sein, als der Schlüssel für die Requisitenkammer verlorenging und jedermann Zugang zu ihr hatte. Vielleicht... Ja, wenn ich’s mir recht überlege... Vielleicht ist der Schlüssel aber gar nicht verlorengegangen, sondern geklaut worden
    Tatsächlich wurde er später unter dem persönlichen Kram des vergifteten Filmstars gefunden. Im Augenblick jedoch konnte ich Petit-Martin noch nicht so richtig von meiner Theorie überzeugen. Barsch forderte er mich auf, nicht vom Thema abzuschweifen.
    „Ich schweife nicht vom Thema ab“, gab ich ebenso barsch zurück. „Ich bemühe mich lediglich, nichts außer acht zu lassen und so präzise wie möglich zu sein. Darf ich jetzt fortfahren? Danke. Zurück zu den Dreharbeiten. Die Selbstmordszene stand unmittelbar bevor...“
    Der Zeuge mit dem betretenen Gesichtsausdruck brachte sich wieder in Erinnerung. Wir hatten ihn vollkommen vergessen.
    „Morgen, spätestens morgen“, warf er eifrig ein. „Verschwinden Sie!“ schnauzte der Kommissar. Doch, er hatte wirklich eine zauberhafte Art, Zeugen zu entlassen. Anstatt ihm für seine Aussage zu danken... Der arme Kerl ließ sich eine so freundliche Aufforderung nicht zweimal sagen und suchte das Weite. Ich spann meinen Faden weiter:
    „Favereau lädt also die Waffe. Um seiner Frau keine Überlebenschance zu lassen, reibt er die Kugel mit Knoblauch ein. Sollte Janine nicht sofort durch die Kugel getötet werden, wird ihr die Infektion der Wunde den Rest geben. Diesen Trick hat er bei Vittorio Genna abgeguckt. Für seine Rolle in Das Doppelte Alibi hat er sich nämlich gründlichst über Al Capone und seine Welt informiert. Das Seidenpapier, in dem die tödliche Knoblauchkugel eingewickelt war, steckt er achtlos in seine Westentasche und vergißt es dort. Dann regt er eine Änderung des Drehbuchs an, schickt jedoch Janine mit dem Änderungswünsch zu den Verantwortlichen. Er selbst will nicht in Erscheinung treten. Man könnte sich später daran erinnern! Nach der rollenvertauschten Selbstmordszene hätte er dann glaubwürdig behaupten können: Ich war das eigentliche Opfer! Und als untröstlicher Witwer hätte er die Versicherungsgesellschaft zur Kasse bitten können.“
    „Großer Gott!“ stöhnte Petit-Martin nach einer kleinen Pause, die auf meine handgestrickte Beweiskette gefolgt war. „Erst Borgia, dann Scarface! Das ist ja zum Verrücktwerden! Aber eins können Sie nicht wegdiskutieren:
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