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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche
Autoren: Léo Malet
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hätte sich bei ihm bestimmt sein Bärtchen stutzen lassen.
    Doch ich war nicht hier, um über Politik und Strategie zu debattieren oder über den Einfluß von Kleopatras Nase Vermutungen anzustellen. Ich hatte genug mit meiner eigenen Nase zu tun und mit dem, was sich um sie herum verändert hatte. Der Weißrusse hatte mich verdammt gut hergerichtet. Das mußte ich wohl oder übel zum zehnten Mal feststellen. Doch so richtig konnte ich mich noch immer nicht mit meinem neuen Gesicht anfreunden. Und wenn ich daran dachte, daß dieses ganze Theater ebenso lächerlich wie unnütz war, überkam mich große Lust, meinem Herzen mit einer Schimpfkanonade Luft zu machen.
    Von den Haarwurzeln bis zum Adamsapfel bedeckte eine aprikosenfarbene Schicht mein Gesicht. Doch das war noch das wenigste. Der Künstler des Make-ups hatte meine Augenlinien verlängert, und besonders viel Mühe hatte er sich mit dem rechten Auge gegeben. Es sah aus, als wäre es halb geschlossen. Der Grund dafür konnte ein erstklassiger Faustschlag gewesen sein... oder der liederliche und wenig hygienische Lebenswandel meiner Vorfahren. Links und rechts von meiner Nase prangte ein roter Fleck, was meinen Gesichtserker wesentlich verschlankte und ihn im Scheinwerferlicht in einem wirklich komischen Licht erscheinen ließ. So im Stile von Zala, dem alten Helden aus der Stummfilmzeit. Die Haut um Wangen und Kinn spannte sich ein wenig unter dem Klebstoff, mit dessen Hilfe der Russe mir einen schönen Acht-Tage-Bart verpaßt hatte. Dabei hatte ich am Morgen Blut und Wasser geschwitzt, um glattrasiert hier an diesem Ort zu erscheinen, an dem mir die Bekanntschaft mit einem ganzen Haufen von Nachtschönheiten winkte. Vorsichtshalber hatte ich mir auch die Zähne geputzt. Zweimal. Und jetzt waren sie gelbgepinselt! Außer zwei schwarzlackierten Schneidezähnen, die eine Lücke vortäuschen sollten...
    „Das ist nur Ihre Schuld“, knurrte ich. „Auf Ihre Anweisung hin hat sich Wladimir diese Scheußlichkeiten ausgedacht.“
    „Ja und?“ erwiderte Favereau spitz. „Sie sind als Detektiv zwar wenig bekannt... Ich würde sogar sagen, Sie sind völlig unbekannt... Aber wenn ich an die Reklamezettel mit Ihrem Foto denke, die Sie verteilt haben... Sehr unvorsichtig von Ihnen! Leute vom Film haben im allgemeinen ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Ich möchte nicht das Risiko eingehen, daß jemand Sie wiedererkennt. Es muß nicht unbedingt jeder wissen, daß ich die Dienste eines Privatdetektivs in Anspruch nehme
    Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu:
    „Vor allem nicht diese verdammten Journalisten! Schnüffeln überall herum
    Lachend stopfte ich mir eine Pfeife.
    „Nestor Burma zu engagieren, war ein Glückstreffer“, sagte ich. „Ein anderer würde sich diesen Ton verbitten und hätte Sie schon längst zur Hölle geschickt. Sicher, Sie sind der große und berühmte Favereau, Liebling aller Damen. Der Herzensbrecher, von dem alles träumt, was Röcke trägt! Da läßt man Ihnen natürlich so einiges durchgehen. Trotzdem hätte ich gerne gewußt, was Sie von mir erwarten. So genau hab ich das nämlich noch nicht kapiert.“
    Ein ockerverschmiertes Papiertuch in der Hand, drehte sich der Filmstar auf seinem knarrenden Stuhl zu mir um und sah mich an.
    „Hab ich Ihnen das nicht erklärt?“ rief er unwillig. „Gestern in Ihrem Büro und gerade eben noch, vor den Dreharbeiten? Ich werde bedroht! Man will mir an den Kragen! Auf welche Weise? Ich weiß es nicht. Deswegen benötige ich einen Leibwächter, aber keinen gewöhnlichen! Der Leibwächter, den ich brauche, muß gleichzeitig ein fähiger Detektiv sein, der Indizien erkennen kann. Jemand, der die Gefahr wittert, in der ich schwebe und von der ich nicht weiß, in welcher Form sie auf mich lauert. Verstehen Sie jetzt?“
    „Ich würde viel besser verstehen, wenn Sie nicht so geizig wären“, seufzte ich. „Mit Einzelheiten, meine ich. Sie reden von Drohungen, ohne konkret zu werden. An Ihrer Stelle würde ich lieber einen Fakir engagieren! Wie soll ich Sie wirksam schützen, wenn die Fakten so dürftig sind? Besser gesagt, es gibt überhaupt keine Fakten!“
    „Sie sollen mir keinen Zentimeter von der Seite weichen und aufpassen, mehr nicht.“
    „Mit anderen Worten, Sie bezahlen mich nicht fürs Nachdenken, stimmt’s?“
    „Natürlich nicht, verdammt nochmal! Ich...“
    „Jetzt hören Sie mir mal gut zu“, unterbrach ich ihn ruhig, aber bestimmt. „Ich würde gerne so einiges ein für
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