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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera
Autoren: Hans Kneifel
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vierzehneinhalb Tagen abgeholt werden würde. Aber dann dachte er an Amarylis und das Geld und ließ sich wieder in den Korbstuhl sinken.
    »Verdammt!« sagte er.
    Eine kleine Motorjacht kam herein. Sie warf eine mächtige Bugwelle auf und hinterließ eine noch mächtigere Heckwelle. Stapen sah zu, wie sich die Fahrt verringerte, wie Leinen flogen und sich ferngesteuert in die Spalten der Poller klemmten, wie das Boot geschickt rückwärts an die Mole heranmanövrierte. Ein Gefühl des Neides kam über ihn, als er die Menschen sah, die entweder an Land sprangen oder die heruntergeklappte Gangway benutzten.
    Jung und fröhlich, sorglos, heiter, gut gekleidet. Sie riefen und lachten, sie packten sich bei den Händen und drangen in den sonnengesprenkelten Schatten unter dem Baum ein, in dem Tische und Stühle auf sie warteten. Sie waren hungrig, und aus dreißig Metern Entfernung beobachteten sie Stapen mit einer Miene, die Niedergeschlagenheit, eine Spur Haß, Unsicherheit und Neid ausdrückte.
    »Was soll ich tun?« murmelte er.
    Er dachte an Amarylis und wußte es plötzlich. Er würde einen kleinen Kreis durch diese verbotene Welt ziehen und dann wieder zurückkehren. Hinausschwimmen mit der Strömung und darauf warten, daß ihn am ausgemachten Punkt Geryon Ta 47 und sein Erster Offizier Milan Tay 98 abholten.
    Er stand auf, und ein paar Mädchen winkten ihm zu. Er zwang sich ein Lächeln ins Gesicht und winkte zurück. Er zertrat den Zigarettenrest, sah das schmelzende Eis im Glas und wandte sich ab. Er ging langsam durch ein Tor, kam an einem offenen Geschäft vorbei und las irgendwo auf einer kleinen Tafel:
    Sechzig Schweißtropfen bis zur Endstation.
    Er begriff.
    Langsam ging er einen gewundenen Pfad aus Steinplatten hinauf, kam an eine breite Treppe und folgte den Wegweisern. Er erblickte kleine, rotleuchtende Tiere, die wie Eidechsen aussahen und die das Papier und die Abfälle geschäftig mit den Kiefern packten und in ihre Höhlen davonschleppten. Die Treppe endete vor einem Stollen, der in den Berg getrieben und künstlich erleuchtet wurde. Stapen ging langsam geradeaus, fühlte dankbar die kühle Luft und roch die Maschinen. Ein Summen kam von vorn. Nach weiteren vierzig Schritten stand er in einer langgestreckten Halle, in der ein schlanker, stromlinienförmig gebauter Zug auf einer U-förmigen Schiene schwebte. Eine Anlage mit Linearmotor. Eine vergessene Erfindung, die hier offensichtlich neue Erfolge erlebte.
    Er sah sich nach einem Schalter oder einer Sperre um – nichts. Niemand hielt ihn auf, als er in der Mitte des Zuges eines der erleuchteten Abteile bestieg, sich in einen farbigen Sessel lehnte und wartete. Aus den hohen Lehnen wisperte ihm eine Stimme Lieder und Mitteilungen ins Ohr.
    Schließlich ruckte der Zug unmerklich an, die Kraft der Beschleunigung wurde abgefangen, und Stapen Crau 36 fuhr einem unbekannten Ziel entgegen.
    Der Zug schoß durch einen langen Tunnel, dann hinaus ins Licht und auf eine Rampe aus zerbrechlich aussehenden Pfeilern. Schließlich verschwand der in einem Graben, der genau so tief war, daß die Passagiere einen guten Ausblick hatten.
    Beim Anblick des ersten Gebäudes brach Stapen der Schweiß aus.

 
2.
     
    Sie lag neben ihm, ihrer beiden Schultern berührten sich leicht. Unter ihnen waren die salzüberkrusteten Planken des alten Holzboots, über ihnen spannte sich der blaue Himmel des Planeten Baudelaire. Weit ausschwingend bewegte sich das Boot in der Dünung.
    »Wer bist du?« fragte sie leise, ohne die Augen zu öffnen.
    »Ein Mann am Ende seines Weges.«
    »Wie heißt du?«
    Er nannte ihr seinen Namen. Stapen Crau.
    »Was tust du hier?«
    »Ich warte«, sagte er. »Auf jemanden, den ich kennenlerne.«
    »Wozu?«
    Er lachte hoffnungslos.
    »Damit er mich mitnimmt. Mit seinem Schiff. Nötigenfalls zur alten Erde.«
    »Was hast du hier verloren?«
    »Ich kam mit einem alten Schiff hierher, suchte Arbeit und fand keine. Ich fand dich.«
    Sie lächelte; er sah es, als er auf dem heißen Deck seine Lage veränderte.
    »Ja, das ist richtig«, sagte sie. »Wir fanden uns.«
    Schweigen.
    Dann sagte sie etwas, das wie ein altes Gedicht klang.
    »Aimons-nous doucement ... laß sanft uns einander lieben. Die Liebe, finster lauernd in ihrem Schilderhaus, spannt unentrinnbar ihren Bogen.«
    »Was ist das?« fragte er. Der Klang ihrer Stimme und die Bedeutung der Worte beunruhigten ihn noch stärker, als es ihr Körper ohnehin tat.
    »Ein Stück eines Gedichtes. Weißt
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