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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera
Autoren: Hans Kneifel
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gespannt. Aus dem schwarzen Schatten eines Vordachs löste sich ein Mädchen und kam auf ihn zu. Scheinbar ruhig musterte er sie.
    »Was darf ich Ihnen bringen?« fragte sie freundlich.
    Sie war nicht älter als zweiundzwanzig Jahre. Ihr Haar war leuchtend Blau, und die Haut hatte den Ton hellen Goldes. Sie sah ihn aus schwarzen Augen an.
    Die Bemalung ihres Gesichtes wirkte wie eine jener Masken, die aus eintätowierten Punkten und Linien bestanden. Sie umgab die Augen, zog sich bogenförmig zu den Schläfen hinauf und endete in einer Spitze, die in der Stirn mit den ersten Haarwurzeln verschmolz.
    »Etwas, das kühl ist und möglichst lange vorhält!« sagte er und versuchte, den Tonfall Konnas zu treffen.
    »Einen Shnar mit Donde?«
    »Soll mir recht sein!« erwiderte er und streifte die Asche ab.
    Er war allein auf der Plaza. Allein mit dem Schatten, einem leichten Wind, der Blumenranken, Markisen und die Kleider eines Geschäfts bewegte, über dessen Eingang Boutique stand. Das alles hier war neu, trug aber die künstlich aufgebrachte Patina des Alters. Hohe, schmale Fassaden mit unregelmäßig großen Fenstern. Ziegeldächer, Metallschilder. Sehr viel Grün, viele Blumen. Mittelgroße Räume, die kaum älter als neunundvierzig Jahre sein konnten. Schmale Gassen und krumme Treppen zwischen den Häusern. Die gesamte Anlage, die etwa tausend oder fünfzehnhundert Menschen beherbergen konnte, atmete eine Art Zufriedenheit aus, die Stapen Crau 36 seit einem Jahrzehnt nicht einmal erträumt hatte. Das Mädchen kam zurück, warf ihm einen prüfenden Blick zu und hielt einen kleinen Würfel in der anderen Hand. Der Würfel war mit einer dünnen Kette an ihrem Gürtel befestigt. Die Kette klirrte leicht, als sie den Shnar mit Donde vor Stapen abstellte.
    »Danke!« sagte Stapen und gab das vage Lächeln zurück.
    Sie runzelte die blauen Brauen. Schließlich hob sie den Würfel hoch. Stapen überlegte sich fieberhaft, was sie wollte, was dieser verdammte Würfel bedeuten sollte. Schließlich murmelte sie:
    »Ihre Karte!«
    Karte? Welche Karte. Rasend schnell überlegte Stapen, während er sich sagen hörte:
    »Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders. Unter anderem bei Ihren Augen. Entschuldigen Sie!«
    Solche Komplimente schien sie den ganzen Tag ununterbrochen zu hören. Die Karte! Es mußte die Karte Konna Panders sein. Natürlich! Er griff in die Tasche, holte den Kunststoffstreifen heraus und sah aufmerksam zu, wie sie die Karte in einen Schlitz des Würfels schob. Es summte kurz, klickte, und als das Mädchen gegangen war, griff Stapen mit unruhigen Fingern nach der Karte. Die letzte, am weitesten rechts stehende Ziffer hatte sich verändert. Statt der digitalen 7 befand sich jetzt in dem größeren Feld eine 8. Die Stellung der Zahlen in der darunter befindlichen Reihe hatte sich ebenfalls verändert. Stapen hatte die Zahlenkombinationen nicht auswendig gelernt. Er holte dies jetzt nach, während er diese überraschende neue Information zu begreifen versuchte.
    Es gab hier kein Geld!
    Ruhiger geworden, überdachte Stapen die Folgerungen dieser Information. Sie waren, einfach ausgedrückt, von geradezu bestürzender Tragweite. Er griff nach dem schlanken Glas und nippte daran. Eine bernsteinfarbene Flüssigkeit war darin, gemischt mit groben Eissplittern. Sie roch nach seltenen Pflanzen, nach Alkohol und etwas Saurem, und sie löschte den Durst.
    »... fünf Millionen Menschen kennen dieses Problem. Es betrifft uns alle, und es muß ein Weg gefunden, ein Verfahren entwickelt werden, diese höchst unangenehme Seite unseres Lebens in kurzer Zeit ...«
    Im Innern der Bar stellte jemand den Ton des Lautsprechers wieder leiser. Stapen Crau 36 saß da, musterte die Landschaft aus leuchtenden Felsen und Bauwerken in hellen Farben und aus bizarr behauenem Bruchstein. Das alles lag unter einem Himmel von purpurner Farbe mit den hellen Wolken, deren Ränder die Regenbogenfarben zeigten. In dieser Sekunde begann die Furcht nach Stapen Crau zu greifen. Die Furcht, daß man ihn als Werkzeug mißbraucht hatte.
    Die Männer vom Planeten Baudelaire hatten ihm falsche Informationen mitgegeben. Sicher nur solche, von denen sie glaubten, daß sie richtig waren. Aber die Leute von Baudelaire kannten die Wahrheit nicht. Die Wahrheit war jetzt und hier. Und die Wahrheit würde ihn umbringen.
    Langsam erhob sich Stapen.
    Er kämpfte gegen die Versuchung an, das Boot zu nehmen und hinauszufahren an jenen Punkt, an dem er in
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