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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera
Autoren: Hans Kneifel
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du, wer Baudelaire war?«
    »Nein!« sagte er.
    »Ein Dichter. Schon zweitausend und mehr Jahre tot. Er gab diesem Planeten seinen Namen, aber sie wissen nicht mehr, wer dieser Dichter war. Sie wissen überhaupt nichts.«
    Stapen dachte an den kümmerlichen Preis, zu dem sie dieses noch weitaus kümmerlichere Boot gemietet hatten.
    »Sie wissen nichts, und sie haben nichts«, sagte er. »Sie sind ärmer als jede andere Welt. Obwohl sie den Krieg gewonnen haben.«
    Sie lächelte ironisch.
    »Weil sie gewonnen haben!«
    Wieder baute sich ein Schweigen auf. Stapen drehte sich völlig herum, stützte sich auf die Ellenbogen und strich zart mit dem Finger die Linie von ihrer Stirn bis unter das Kinn. Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Die Augen besaßen dieselbe Farbe wie der Himmel, der sich in ihnen spiegelte. Stapen begriff jetzt, daß es für ihn nur eine einzige Rettung gab.
    »Was sollen wir tun?« fragte er statt dessen.
    »Ich weiß es auch nicht!« murmelte sie hoffnungslos.
    Sie waren Bankrotteure. Beide konnten sich nicht eingestehen, daß Baudelaire, der kümmerlichste Planet, den sie kannten, für sie die Endstation war. Ein Zufall hatte sie zusammengeführt, ein Zufall, der kennzeichnend war. Stapen war, wie fast jeden Tag des vergangenen Monats, zum Raumhafen hinausgegangen auf seinen löchrigen Sohlen, um nach einem Schiff zu sehen, das einen Mann brauchen konnte. Und plötzlich stand er vor ihr. Sved Amarylis. Sie kam aus einem Handelsschiff, das in einigen Kabinen auch Gäste beförderte. Bis hierher hatte das Geld gereicht. Um weiterfliegen zu können, reichte der Rest nicht mehr – jede Passage war teurer. Und um hier zu überleben, reichte es auch nicht lange. Sie hatten sich mit einem langen Blick angesehen und einander erkannt. Stapen hatte die junge Frau angesprochen und ihr gesagt, sie könne in seinem Boot schlafen. Er hatte es von einem einbeinigen Alten »gemietet« und versuchte, hin und wieder einen Fisch zu erwischen, den er verkaufte, um sich die nächsten zwei Tage über Wasser zu halten. In dem ausgefischten Mittelmeer von Baudelaire war dies ein schier hoffnungsloses Unternehmen, bei dem schon bessere Männer gescheitert waren.
    »Mein Geld ... wir können ...«, begann sie.
    Er legte ihr leicht die Hand auf die Lippen und schüttelte langsam den Kopf.
    »Wir können gar nichts tun. Wir können nur auf einen Zufall hoffen.«
    Er küßte sie. Zuerst nur leicht, dann intensiver. Sie schien unentschlossen und passiv-abwehrend, aber dann erwiderte sie seine Küsse mit einer Heftigkeit, die ihn zuerst verblüffte, anschließend atemlos machte und mitriß. Sie liebten sich mit einer hoffnungslosen Intensität, als gäbe es kein Morgen.
    »Wir können nur eines tun!« sagte Stapen schließlich.
    »Ich höre?«
    »Wieviel Geld hast du?«
    Sie nannte eine Summe. Sie war zu klein, um damit etwas anfangen zu können, aber groß genug, um ihnen in Verbindung mit einigen Fischen und diesem mehr als dürftigen Heim hier genau dreißig Tage Leben zu ermöglichen.
    »Dreißig Tage«, sagte er. »Dreißig Tage und dreißig Nächte. Wir können uns in die Sonne legen und fischen.«
    »Das ist nicht eben viel!« erwiderte Amarylis.
    »Warte. In dieser Zeit werden es die Sonne, das Wasser und unsere Liebe vielleicht schaffen. Wir werden braun, bleiben gesund, und einer von uns geht jeden Tag zum Raumhafen. Das sind dreißig Tage Chancen. Wenn jeden Tag zwei Schiffe landen ...«
    Amarylis strich das lange, braune Haar zurück und setzte sich auf.
    »... wobei fraglich ist, was zwei Schiffe hier zu tun haben, außer vielleicht Wasser aufzunehmen ...«
    »... dann sind es sechzig Chancen. Darunter wird ein Schiff sein, das uns mitnimmt. Wir können die Passage abarbeiten. Das Ziel: ein Planet, auf dem wir wieder in der Zivilisation sind.«
    »Du bist ein Narr«, sagte sie. »Aber ich glaube, daß ich dich liebe.«
    »Laß sanft uns einander lieben ...«, flüsterte er.
    Baudelaire war nur noch der Schatten eines ehemals gesunden Planeten. Wie auch rund fünfhundert andere Welten war dieser Planet vor Jahrtausenden von der Erde aus besiedelt worden. Auf Baudelaire jedoch hatte die geistige Evolution der Kolonisten einen verhängnisvollen Irrweg beschatten. Der Planet selbst war weder arm noch besonders reich, und das erste nach der Gründung von Städten und Werken war, daß Baudelaire sich Raumschiffe kaufte, handelte, und schließlich auf Cythera Minor stieß. Diese Welt war dünn besiedelt und
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