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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille
Autoren: Petra Durst-Benning
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liebe Julie!«
    Antonia nahm einen zaghaften Schluck. Dann ergriff sie Julies Hand.
    Â»Zuerst einmal möchte ich Ihnen für alles danken, was Sieauf sich genommen haben. Es war bestimmt nicht einfach.« Sie machte eine unbestimmte Handbewegung. »Ach was, es war höllisch schwer, sonst hätte ich mich ja nicht ein Leben lang davor gedrückt!« Antonia lachte bitter auf und hob erneut ihr Glas. »Ich will Ihre Arbeit mit dem, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, gewiss nicht schmälern. Bitte verstehen Sie das nicht falsch, aber … eigentlich habe ich meinen Frieden schon in dem Moment gefunden, als ich den Anwalt beauftragte, nach Ihnen zu suchen. Allein die Tatsache, dass ich endlich, nach all den Jahren, den Mut gefunden hatte, mich der Vergangenheit zu stellen, war eine Erlösung für mich. Es ist wie mit dem Krebs: Ich habe das Gefühl, dass etwas aus mir hinausgekommen ist, was ich viel zu lange beherbergt habe. Und wenn man es hinter sich hat, stellt man fest, dass es letztlich doch nicht so schlimm war.« Sie verzog den Mund. »Hört sich seltsam an, oder?«
    Julie nickte. Sie hob ihr Glas und prostete Antonia zu. »Trotzdem … Wie fühlen Sie sich jetzt, nachdem Sie all das wissen?« Julie wies auf die gebundenen Blätter.
    Antonia seufzte. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie nach einem Zögern. »Das alles ist schwer zu verstehen. Vielleicht wäre es mir leichter gefallen, wenn ich mich schon in früheren Jahren einmal mit … der Geschichte auseinander gesetzt hätte. Aber so ist es, als hätte sich eine dicke Staubschicht auf meine Gefühle gelegt. Meine Mutter ist eine Mörderin – allein diese Tatsache müsste doch ausreichen, um mich zu erschüttern, oder?«
    Julie zuckte mit den Schultern.
    Â»Das tut es auch, keine Sorge«, antwortete Antonia trocken. »Ich habe mich natürlich gefragt, was Sie wohl herausfinden würden. Alle möglichen Szenarien habe ich mir ausgemalt, aber auf so etwas bin ich nicht gekommen.« Antonia seufzte. »Was mich unendlich traurig macht, ist die Tatsache, dass Mutter meinen Vater nie geliebt hat.«
    Â»Das wissen wir doch gar nicht«, antwortete Julie. »Immerhin hat sie ihn geheiratet. Vielleicht erkannte sie in der Zeit nach Rosannas Tod, was für ein guter Mensch er war. Zwei einsame,trauernde Menschen … Helmut war für Simone da in der Stunde ihrer größten Not! Vielleicht hat das ihre Liebe zu ihm geweckt, ich meine, schließlich war Ihre Mutter kurz darauf schwanger«, fügte sie etwas lahm hinzu. Dass es von Helmuts Seite aus keinesfalls Liebe, sondern vielmehr Pflichtgefühl gewesen war, wollte sie nicht erwähnen.
    Â»Unsinn!«, widersprach Antonia resolut. »Ich muss bestimmt noch über vieles, was ich heute erfahren habe, nachdenken. Aber eines weiß ich ganz gewiss: Meine Mutter hat Vater nicht aus Liebe geheiratet. Und Sie wissen das auch. Nachdem ihr Selbstmordversuch gescheitert und sie zum Weiterleben verdammt war, beschloss sie, das Los auf sich zu nehmen, vor dem sie Rosanna bewahren wollte. Sie heiratete den Mann, den Rosanna hatte heiraten wollen. Und sie bekam ein Kind von ihm, wie Rosanna eines bekommen hätte. In ihren Augen war das das Schlimmste, was Rosanna hätte geschehen können. Dass Rosanna selbst dies ganz anders sah – auf diesen Gedanken ist meine Mutter wohl nie gekommen.« Tränen glitzerten in Antonias Augen, und sie wandte sich ab. »Mein Vater und ich – in ihren Augen waren wir Gottes Strafe für das, was sie getan hatte.«
    Darauf wusste Julie nichts zu sagen.
    Antonia nahm noch einen Schluck Sekt. Ihre Unterlippe bebte, doch dann straffte sie sich.
    Â»Wie ich schon sagte: Sie haben gute Arbeit geleistet. Am dritten Januar haben wir einen Termin bei Herrn Schleicher. Dann werde ich Ihnen offiziell das ›Kuckucksnest‹ überschreiben.« Sie winkte ab, als Julie auffuhr. »Sie haben doch nicht etwa geglaubt, ich würde wortbrüchig werden, oder?«
    Julie schüttelte verlegen den Kopf.
    Â»Na also!« Antonia lächelte. »Aber eines sind Sie mir noch schuldig …«
    Â»Und das wäre?«
    Â»Sie haben gut recherchiert. Sie sind regelrecht in Rosanna und meine Mutter hineingeschlüpft, um das Puzzle Teil für Teil zusammenzufügen. Mein Kompliment! Aber ein letztesTeilchen – vielleicht das
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