Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
obwohl die Flasche nur
Johannisbeersaft enthielt.
    Die TKKG-Bande schlenderte in die
Halle.
    Vor dem Alt-Hippie blieben die vier
Freunde stehen.
    „Seht euch mal diese Vogelscheuche an“,
sagte Gaby. „Sowas verunziert den Bahnhof.“

    „Stimmt genau!“ nickte Tim. „Heh, Opa!
Warum verkriechst du dich nicht in deinem Kellerloch?“
    „Hört auf!“ wisperte Klößchen mit
hochrotem Kopf. „Sonst mache ich mir vor Lachen in die Hosen.“
    Alt-Hippie Glockner nahm einen Schluck
aus der Flasche.
    „Haut ab!“ zischelte er. „Sonst sorge
ich dafür, daß ihr das nächste Wochenende Jugendarrest kriegt. Wegen
Behinderung einer Amtshandlung.“
    Kein Mithörer war in der Nähe. Davon
hatte sich Gaby überzeugt.
    „Der Bahnhofsfrisör“, sagte sie leise, „gehört
zu den Erpressern. Ist so ein Dunkler mit Pomadelocken. Sein Brustschmuck — ein
Goldpüppchen — wurde bei dem Steinwall am Tunnel gefunden. Herr Clothwig rief
an. Wir kennen das Püppchen, haben es bei dem Typ auf der Brust gesehen. Heute
nachmittag.“
    Glockner machte eine überraschte
Bewegung.
    Beinahe wäre ihm die Saftflasche
entglitten.
    „Gut“, erwiderte er leise. „Aber jetzt
macht ‘ne Fliege.“
    Karl krönte die Situation, indem er
sein Portemonnaie aufmachte.
    Er nahm eine Mark heraus. Mit spitzen
Fingern — und deutlich sichtbar für die nähere und weitere Umgebung — wurde Glockner
die Münze überreicht.
    „Aber nachher kriege ich sie wieder“,
flüsterte Karl.
    Sie entfernten sich, bummelten hinüber
zur Milchbude.
    Jeder erstand einen Kuhsaft-Trank.
    Neben Tim stand ein älterer Herr, der
wie ein Landwirt aussah. Offenbar hatte er an einen Metzger acht Kälber
verkauft. Vielleicht auch Schweine. Er wirkte zufrieden, war bärtig und bebrillt,
trug Trachtenanzug und schmutzige Stiefel. Er schmauchte seine Pfeife und blies
Tim eine Wolke ins Gesicht.
    Beinahe hätte das eine Beschwerde
ausgelöst.
    Aber der Bauer kam ihm zuvor.
    „Warum seid ihr nicht im Bett?“ fragte
er mit Kommissar Krauses Stimme.
    Um ein Haar hätte sich Tim an seiner
Bananenmilch verschluckt.
    „Sie? Donnerwetter! Super!“
    „Na, was meint ihr denn?“ Krause sprach
leise. „Seht ihr die Müllmänner, die beiden Penner, den Aufsichtsbeamten, die
Oma dort bei ihren Koffern — alles unsere Leute.“
    „Dann kann ja nichts schiefgehen“,
flüsterte Tim. „Wir machen einen Rundgang. Bis später.“
    23 Uhr.
    Der Minutenzeiger rückte auf die Zwölf.
    Die TKKG-Bande stand am Zeitungskiosk.
Das Interesse galt Journalen und Taschenbüchern in englischer Sprache.
    Schulzl-Müller trat aus seinem Büro.
    Er wirkte müde. Seine Haltung drückte
aus, daß er seelisch am Abgrund wandelte.
    Er schleppte einen mittelgroßen Koffer
mit 712 000 DM.
    Mehr hatte die Hausbank infolge eines
Mißverständnisses nicht zusammengebracht.
    Schulzl-Müller hoffte, daß die
Erpresser damit zufrieden waren.
    Vorsorglich hatte er einen Zettel in
den Koffer gelegt und die reduzierte (verminderte) Summe erklärt.
    Notfalls — so stand’s auf dem Zettel — werde
man die letzte Rate nachliefern.
    Mit hängenden Schultern ging er zu den
Schließfächern.
    Aus der Rocktasche nahm er den
Schlüssel.
    Er schloß Nr. 234 auf, stellte den
Koffer hinein.
    Für das Schloß hielt er Münzen bereit.
    Seine Hände zitterten etwas.
    Er sah sich um, als erwarte er, daß auf
ihn geschossen werde.
    Endlich hatte er das Fach verschlossen.
    Er zog das gefütterte Kuvert aus der
Brusttasche und schob den Schlüssel hinein.
    Müde sockte er hinüber zur Kinokasse
und entledigte sich des Restes seiner Anweisung. Eine Minute später war er
wieder in seinem Büro. Er legte den Kopf auf die Tischplatte.
    Nein, dachte er. Ich kann doch nicht
einschlafen. Jetzt, wo es spannend wird. Aber ausruhen darf ich.
    Er wollte noch die Jacke ablegen. Dazu
kam es nicht mehr. Er begann zu schnarchen.
    In der Halle machte Tim schmale Augen.
    Er hatte einen Typ entdeckt, der sich
langsam den Schließfächern näherte.
    „Seht euch den an“, flüsterte Tim. „Achtfinger-Jo,
der Taschendieb.“
    Mehrmals im Laufe des Tages hatte Kolbe
Koffer gestohlen. Immer in Verkleidung. Jetzt, beim letzten Coup, verzichtete
er darauf. Es war schwül geworden, und er fühlte sich erschöpft.
    Eben hatte er beobachtet, wie ein
Zahlenschloß-Koffer in Nr. 234 gelandet war.
    Den wollte er sich holen. Hoffentlich lohnte
die Beute. Alles andere war enttäuschend gewesen, stand jedenfalls in keinem
Verhältnis zu der Mühe,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher