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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod
Autoren: Liza Marklund
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auf‹.«
    »Ist das die, die vor ein paar Jahren Volontärin bei uns war?«, fragte Annika.
    »Wie viele Journalistinnen gibt es denn, die Ronja heißen?«, fragte Schyman.
    »Zu viele«, erwiderte Annika, beugte sich über seinen Schreib­tisch und griff nach der Zeitung, die immer noch bei dem ENTLASTET -Artikel und den fünf Porträtfotos aufgeschlagen war.
    »Das ist doch wirklich widerlich«, sagte sie.
    Schyman seufzte.
    »Annika …«
    »Ich bleibe an der Sache dran«, sagte sie. »Hab schon mit Viveca Hernandez gesprochen. Die körperlichen Misshandlungen fingen an, als Linnea schwanger wurde. Die ganze klassische Palette, Schläge auf die Augen, die ihn anklagten, und auf den Mund, der Widerworte gab. Er hat sie nackt aus der Wohnung ins Treppenhaus gejagt, dadurch hat Viveca überhaupt erst gemerkt, was sich da abspielte …«
    »Annika …«
    Ihre Hand verkrampfte sich auf der Zeitungsseite, Annika sah Schyman nicht an.
    »Ich muss arbeiten«, sagte sie. »Sonst gilt nichts mehr. Ich nicht und nicht die Frauen. Sie verdienen es, dass ich …«
    »Annika, ich habe gekündigt.«
    Jetzt blickte sie zu ihm hoch.
    »Wann denn? Wann hören Sie auf?«
    »Im Mai«, sagte er.
    Sie lehnte sich auf dem Besucherstuhl zurück.
    »Ich habe mich schon gefragt, wie lange Sie das noch durchhalten«, sagte sie.
    Er hob die Augenbrauen. Sie deutete mit dem Kopf hinüber zum Newsdesk.
    »Patrik«, sagte sie, »und sein ganzer verlogener Drecksjournalismus. Sie winden sich wie ein Wurm am Haken, wenn Sie versuchen, gute Miene zu seinen blöden Einfällen zu machen. Ich weiß, Sie sagen, das verkauft sich, aber ich glaube, die Erfolge sind vorübergehend und kurzsichtig. Die Leute sind nicht dumm. Die durchschauen das hier.«
    Er sah sie eine Weile stumm an.
    »Sie irren sich«, sagte er. »In allen Punkten. Die Leute sind ziemlich beschränkt. Die glauben alles, was sie lesen, nehmen Sie doch nur mal den Mist im Internet. Die Hälfte der Leser von mediatime.se glaubt inzwischen, dass Sie kleine Kinder ­fressen.«
    Er stand auf.
    »Und was Patrik angeht«, fuhr er fort, »ich habe ihn dem Vor­stand als meinen Nachfolger vorgeschlagen.«
    Sie saß auf dem Stuhl und blickte mit ihren schrägen grünen Augen zu ihm auf.
    »Das klappt doch nie«, sagte sie leise.
    Er antwortete nicht, stand da und spürte, wie ihm das Unbehagen den Rücken hinaufkroch.
    »Man wird Sie nicht als Helden verehren, nur weil die Zeitung ohne Sie vor die Hunde geht«, sagte sie. »Im Gegenteil. Sie sind dann nur noch eine Randfigur. Der Vorstand wird jede Verantwortung von sich weisen. Die geben Ihnen die Schuld an allem, begreifen Sie das nicht?«
    Sie erhob sich ebenfalls, griff nach ihrer Tasche und nach der Jacke. Schymans Puls raste, und er warf sich in die Brust, um es zu überspielen.
    »Denken Sie an mein Angebot«, sagte er. »Eine Kolumne über Thomas und Sie und Ihr neues Leben zusammen, jetzt, wo er wieder zu Hause ist. Drei Millionen kriegen Sie dafür nicht, aber vielleicht eine Neujahrsreise mit der Familie?«
    Sie zog die Steppjacke an und hängte sich die Tasche über die Schulter.
    »Das wird wohl schwierig«, sagte sie. »Ich bleibe nicht länger mit Thomas zusammen.«
    Mit halboffenem Mund sah er sie an und fand keine Worte.
    »Thomas weiß es noch nicht. Ich sage es ihm heute, ich bin gerade auf dem Weg ins Krankenhaus.«
    Sie schob die Tür auf, schloss sie hinter sich und war weg.
    *
    Der Himmel füllt mein ganzes Fenster aus. Er ist tief und massiv wie Beton, kühl und grau.
    Hin und wieder fliegt, wie eine schwarze Silhouette gegen das Licht, ein Vogel vorbei, aber ansonsten ist nichts zu sehen. Ich hätte mir einen Baum gewünscht oder wenigstens ein paar nackte Zweige.
    Hier ist es sterbenslangweilig.
    Meine fehlende Hand hat begonnen zu schmerzen. Manchmal juckt es zwischen den Fingern, und die Handfläche brennt. Das ist normal, haben sie gesagt.
    Ich soll eine Prothese bekommen.
    Sie sagen, dass Prothesen heute ganz hervorragend sind. Es gibt welche, die werden über Bluetooth gesteuert und können Muskelimpulse aufnehmen und Druck und Bewegungen anpassen, und vielleicht gibt es bald welche mit Gefühl. Es ist tatsächlich eine schwedische Erfindung, das ist ja schon wieder komisch.
    Annika war phantastisch. Sie hat mir endlos zugehört. Das vergesse ich ihr nie.
    Es war vor meiner Hütte so still geworden. Ich bekam kein Wasser mehr und nichts mehr zu essen. Irgendwann habe ich dann die Blechplatte vor der Öffnung
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