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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod
Autoren: Liza Marklund
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Annika sah es wie durch Nebel. Es war unglaublich heiß. Die Sonne stand im Zenit, das Licht war gleißend weiß. Sie weinte und konnte nicht aufhören.
    »Die Papiere, bitte«, sagte der Soldat zu William Grey. Der Pilot reichte ihm die Flugerlaubnis.
    Der Soldat studierte sie eine Weile konzentriert.
    Thomas würde nicht zu ihr zurückkommen, und daran war nicht nur die Explosion schuld. Er wäre ohnehin nicht mehr derselbe. Den Mann, mit dem sie einmal verheiratet gewesen war, gab es nicht mehr, hatte es schon lange nicht mehr gegeben, bevor das Lösegeld verschwand.
    Tränenüberströmt blickte sie nach Süden zum Horizont, hin­ein in das gleißende Licht. Sie meinte die Rauchsäule zu er­ahnen, Brandgeruch stieg ihr in die Nase.
    »Folgen Sie mir«, sagte der Soldat schließlich.
    »Kann ich hierbleiben?«, fragte William Grey. »Ich würde mein Flugzeug nur ungern allein lassen …«
    Halenius legte ihr den Arm um die Schultern, aber sie schüttelte ihn ab.
    Die Menschenmenge, mehrere Hundert Leute, folgte ihnen die Piste entlang zu einer Gruppe rissiger Betonhäuser.
    »Was für ein Auflauf«, sagte Halenius. »Man könnte meinen, sie hätten noch nie ein Flugzeug gesehen.«
    Der Mann drehte sich zu Halenius um und blieb stehen.
    »Nur Militärmaschinen«, sagte er. »Das da ist das erste Privat­flugzeug, das je in Liboi gelandet ist.«
    Halenius senkte den Blick.
    Der Boden war mit Steinen und Gerümpel bedeckt, zerbrochenen Ästen und Autoreifen. Annika stolperte immer wieder. In einiger Entfernung konnte sie Häuser ausmachen, flach und weiß, eine Ziege, Menschen, die sich im Schatten ausruhten, niedrige Bäume mit lederartigen Blättern, Einzäunungen aus Maschen- und Stacheldraht.
    Der Himmel war hoch, unendlich.
    Der Soldat brachte sie zu einem eingezäunten Hof mit einer großen runden Bambushütte in der Mitte.
    Annika stolperte hinein. Die Dunkelheit drinnen wirkte nach dem grellen Sonnenlicht kompakt. An den Wänden standen durch­gesessene Sofas mit geblümten Chintzbezügen, sie ließ sich auf das nächstbeste sinken und schlug sich die Hände vors Gesicht. Sie zitterte am ganzen Körper, die Tränen rannen ihr durch die Finger. Die Luft stand vollkommen still. Es war hundert Grad heiß. Ein Insekt zirpte.
    Thomas saß in seinem Büro im Gemeindehaus von Vaxholm, die Sonne schien ihm ins Gesicht und auf die breiten Schultern. Er war sehr jung und viel schlanker damals. Sie interviewte ihn, er antwortete in hölzernem Bürokratenschwedisch. Sie unterbrach ihn und fragte: »Reden Sie immer so?«, und er sagte: »Es hat verdammt lange gedauert, das zu lernen.«
    Drei Männer in Militärkleidung standen vor ihr. Sie trugen schwere Waffen um die Hüften.
    »Sie sind also aus Schweden gekommen?«, sagte der Soldat in der Mitte. »Für ein Hilfsprojekt?«
    Da standen sie, breitbeinig und im Bewusstsein der Macht, die von Schusswaffen ausging.
    »Wir sollen die Zusammenarbeit zwischen UN und Welthungerhilfe untersuchen«, sagte Halenius und gab allen drei die Hand.
    »Tatsächlich?«, sagte der Militär. »Wie denn?«
    Annika erhob sich, baute sich vor ihm auf. Ihre Augen brannten.
    »Wir sind hier, um meinen Mann zu suchen«, sagte sie. »Und Sie sind schuld, dass er verschwunden ist.«
    Sie merkte, wie sich alle Augen auf sie richteten. Halenius ergriff ihren Oberarm, aber sie riss sich los.
    »Und das Hilfsprojekt?«, fragte der Militär. Er verhielt sich abwartend, seine Stimme klang misstrauisch.
    »Er wurde vor zehn Tagen entführt«, sagte Annika. »Er ist auf dieser Piste gelandet, genau wie wir, und Sie haben ihm Schutz und Sicherheit garantiert!«
    Sie zeigte mit dem Finger auf den Mann vor sich und merkte, wie sie zu einem wütenden Tier wurde, einer fauchenden kleinen bösartigen Bestie mit spitzen Zähnen.
    » Sie haben versprochen, ihn und die anderen zu schützen, und was haben Sie getan? Sie haben seine abgehackte linke Hand in Empfang genommen, das haben Sie getan!«
    Sie schrie jetzt beinahe. Die Soldaten wichen zurück.
    »Madam, das waren wir nicht …«
    »Er war hier, um Kenia zu helfen, Kenias Grenzen zu sichern, und was hat er davon? Was seid ihr eigentlich für Kerle?!«
    »Annika …«, sagte Halenius.
    Sie stieß einen Schrei aus, schrie zur Decke hinauf, dort oben lebten Fledermäuse, sie sah sie nicht, aber sie spürte es, sie konnte es riechen.
    Der Boden war steinig. Sie kam an Behausungen aus Blech und Reisig, Decken und Matratzen vorbei. Die Dorfstraße war übersät
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