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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier
Autoren: Marinchen
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einkaufen gegangen. Hätte sie nur ihr Baby zur Adoption freigegeben, wie alle sie gebeten hatten, ihr vorgeschlagen hatten, versucht hatten, sie zu überreden, dann wäre er noch am Leben.
    Sie hatte nicht mit der vollständigen Erinnerung an jene Nacht leben können, deswegen hatte ihr Hirn eine Schutzhülle um diese Erinnerung gebildet und sie versteckt.
    Ihr Baby war tot.
    Wann immer sie an ihn dachte, war sein Gesicht unscharf. Aber jetzt konnte sie ihn sehen, im Geiste, mit blauen Lippen und blauen Fingern. Tot. Tot. Tot.
    Sie stieß ein Schluchzen aus. Soll er mich doch töten. Soll er es zu Ende bringen. Ein Anfang, eine Mitte, ein Ende.
    Ivy wandte ihr Gesicht ab, damit sie nicht den Wahnsinnigen sehen musste, der über ihr aufragte.
    Über den Holzboden hinweg, auf der anderen Seite des Bettes, sah sie Ethan. Er lag auf dem Bauch.
    Ethan. O mein Gott. Ethan.
    Bist du am Leben? Bitte sei noch am Leben.
    Sein Mund war mit Klebeband verschlossen. Seine Hände waren hinter seinem Rücken gefesselt, seine Wange lag auf dem Boden, seine Pupillen waren groß und glasig.
    Bist du am Leben? Bitte sei noch am Leben!
    Er zwinkerte.
    Gott sei Dank.
    In seinem Blick spiegelte sich all der Schrecken, den er gesehen hatte, und all die Angst, die er verspürte. Und jetzt war endlich jemand hier, der nicht der Madonna-Mörder war. Er schaute Ivy flehend an, er bettelte um ihre Hilfe, bettelte, dass sie es aufhielt, das alles verschwinden ließ.
    Wie kann ich dich retten, dachte sie, wenn ich nicht mal mein eigenes Kind retten konnte? Wie kann ich dich retten?
    Sie wandte sich rechtzeitig um, um das Messer niedersausen zu sehen. Sie zuckte davon. Er verfehlte sie, die Klinge blieb im Boden stecken. Mit ihrem letzten bisschen Kraft stemmte sie sich auf die Beine und rannte in die Küche, zum Kühlschrank. Während Ruby sich mühte, das Messer aus dem Boden zu ziehen, packte sie den Kopf an den grauen Haaren, riss ihn aus dem Kühlschrank. Ihre Hände legten sich über die kalten Ohren, sie drehte das Gesicht weg von sich, streckte die Arme aus, schrie Ruby an.
    »STOP!« Er schaute auf - und sein Gesicht verlor jede Farbe. Sein Mund öffnete sich.
    Der Kopf war schwer, ihre Arme zitterten. Die Schwäche stieg in ihr auf.
    »Leg das Messer hin!«, rief Ivy. »LEG ES HIN!«
    Er schaute schuldig, als hätte seine Mutter ihn bei etwas erwischt, was er nicht tun durfte.
    Hinter sich hörte Ivy schwere Schritte heraneilen. Hilfe kam. Viel Hilfe. Draußen kreischten Sirenen. Die Tür flog auf, und sie hörte Max' Stimme ihren Namen rufen.
    Max würde niemals das Bild vergessen, das sich ihm bot, als er die Wohnungstür aufriss. Ivy hielt einen Menschenkopf in den Händen, als wäre es ein Kreuz, das ihr half, Dracula fern zuhalten. Ein Mann - der Madonna-Mörder - stand da, starrte den Kopf entsetzt an und sah aus, als durchlebte er gerade seine eigene Version der Hölle.
    Und dann setzte sich Ruby in Bewegung. Er kam auf Ivy zugelaufen, ein glitzerndes Messer hoch erhoben, und schrie: »Ich hasse dich! Ich hasse dich!«
    Rubys gesamter Hass auf seine Mutter lag in diesem Schrei, diesem Angriff. Er würde tödlich verlaufen.
    In all seinen Jahren als Detective hatte Max niemals jemanden erschossen. Aber diesmal drückte er den Abzug. Einmal, zweimal, dreimal - denn Max hatte das Gefühl, eine einzelne Kugel würde Grant Ruby nicht stoppen. Kranke Tiere waren am schwersten zu töten.
    Rubys Maske des Hasses zerbarst, sie wurde ersetzt durch einen Ausdruck idiotischer Überraschung, vollkommenen Unverständnisses darüber, dass sein Lebenswerk in diesem triumphalen Augenblick zerstört wurde.
    Er war tot, bevor er zu Boden stürzte.
    Die Zeit verzerrte sich auf diese komische Art, wie sie es immer tut, wenn einem Adrenalin in die Venen schießt. Die dritte Kugel hatte kaum die Kammer verlassen, als Max auch schon dachte: Was habe ich getan?
    Ethan.
    Ruby war der einzige Mensch, der wusste, ob Ethan am Leben oder tot war. Der einzige Mensch, der wusste, wo Max ihn finden konnte.
    Im selben Moment, in dem er das dachte, rief Ivy den Namen seines Sohnes.
    Wie aus der Ferne nahm er Abraham und die anderen Polizisten hinter sich wahr, aber nur am Rande, sie waren unwichtig.
    Er schob seinen Revolver zurück in das Schulterholster und rannte ein paar Schritte durch die Küche in das Schlafzimmer. Er fürchtete, Ivys Ruf falsch gedeutet zu haben, aber dann sah er Ethan auf dem Boden, auf der anderen Seite des Bettes.
    Er stürzte neben ihm
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