Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anleitung zur Selbstorganisation

Anleitung zur Selbstorganisation

Titel: Anleitung zur Selbstorganisation
Autoren: Fredmund Malik
Vom Netzwerk:
jedes einzelne Unternehmen der Finanzindustrie muss versuchen, das besser zu tun, als seine Konkurrenten. Meine oben vorgeschlagene Logik gilt also durchgängig für alle Arten von Unternehmen.
    In der Finanzindustrie ist Shareholder-Value von Beteiligungen identisch mit Customer-Value für Investoren, nicht hingegen in der Realwirtschaft. In der Massenpsychologie des Zeitgeistes werden durch den Druck von Analysten und Medien realwirtschaftliche Unternehmen aber irregeführt oder gar gezwungen, dasselbe zu tun. Damit richten sie ihren Blick weg von ihren Kunden und in die ganz andere Richtung ihrer Aktionäre, die heute, wie man gleich sehen wird, von Ausnahmen abgesehen, eine eigentümliche Spezies sind.
    Die Rhetorik der Finanzindustrie verändert zwar die
Optik
des Marktes, aber nicht seine
Logik
. Der Logik des Marktes entsprechend, muss das Unternehmen sich an jener Gruppe orientieren, die tatsächliche Rechnungen bezahlt. Das sind ausschließlich die Kunden. Zu sagen, dass letztlich die Aktionäre die »Rechnung zahlen«, ist ein irreführender Slogan. Kann sein, dass die Aktonäre einen Verlust verbuchen müssen, dann nämlich, wenn das Unternehmen keine Kunden mehr findet, die wirkliche Rechnungen bezahlen. Der Aktionär trägt eben das Eigentümer-Risiko, aber er bezahlt keine Rechnungen. Er bezahlt nicht für die Wirtschaftsleistung des Unternehmens, sondern er trägt den Verlust, wenn das Unternehmen darin versagt hat, seine wichtigste Aufgabe zu erfüllen, nämlich eine Wirtschaftsleistung für jene Gruppe zu erbringen, die dafür bezahlt.
    Gerade dann, wenn Eigentümer am Wert und der Wertsteigerung ihrer Aktien interessiert sind, müssen sie alles tun, damit das Unternehmen befähigt ist, Customer-Value zu schaffen, und sie müssen das Management befähigen, an nichts anderes denken zu müssen.
    Genau genommen sollten die Shareholder ihre Logik und Rhetorik um 180 Grad drehen. Sie sollten nicht fragen, was das Unternehmen für den Shareholder tun kann oder soll, sondern umgekehrt, was derShareholder für das Unternehmen tun muss, damit es seinem Unternehmen gut geht. Anders gesprochen: Shareholder-
Interesse
ist nicht gleichbedeutend mit Shareholder-
Value
. Gerade
wenn
der Shareholder gut bedient sein soll, muss der Customer-Value als Zweck im Zentrum stehen. Das hatten übrigens die Tycoons aller Epochen immer verstanden und ebenso die Epochen und Moden überdauernden Unternehmerdynastien, und das bestimmte und bestimmt auch heute ihr Handeln.
    Diese Logik gilt
a fortiori
für die Pension-Fund-Investoren, die zukünftigen Pensionisten. Denn diese sind darauf angewiesen, in 20 oder 30 Jahren ihre Pension zu bekommen. Also muss ihr vitalstes Interesse auf die
langfristige
Performance des Unternehmens zielen, und nicht auf den kurzfristigen Börsenkurs. Die Kunst ist ja, zuerst die Wirtschaftsleistung zu
erarbeiten
, danach erst kann man diese verteilen. Abbildung 2 stellt das dar. Beim Verteilen können die Aktionäre dann durchaus an erster Stelle stehen. Wird aber nicht zuerst etwas erarbeitet, gibt es nichts zu verteilen. Genau diese langfristigen Interessen werden aber durch die Shareholder-Value-Doktrin unterlaufen, denn die Funds-Manager sind gezwungen, sich an der kurzfristigen Performance zu orientieren.

    [Bild vergrößern]
    Abbildung 2: Die zwei Welten des Schaffens und Verteilens der Wirtschaftsleistung
    Was ist eigentlich ein Investor?
    Der Begriff »Investor« ist aufgrund der Entwicklung der Finanzmärkte und der Fund-Industrie weitgehend nichtssagend geworden. Man muss im Einzelfall sehr genau analysieren, was damit gemeint ist. Investor und Shareholder sind als Eigentümer rein formal zwar identisch, wenn sie Aktien besitzen. Das heißt aber noch lange nicht, dass damit dieselbe Interessenlage gegeben ist.
    Dass Shareholder eine
homogene
Interessengruppe seien, ist eines der zwar postulierten, aber selten geprüften Dogmen des Neoliberalismus. Die Forderung nach dem Shareholder-Value geht schon von daher ins Leere. Dazu kommt, dass sich die Shareholder-Struktur über die Zeit grundlegend geändert hat. Hier sind einige Fakten.
    1950 waren rund 90 Prozent aller amerikanischen Aktien in den Händen der privaten Haushalte. Heute sind es noch knapp über 30 Prozent. Hingegen halten die institutionellen Investoren heute fast 70Prozent der Aktien, während sie 1950 lediglich 9 Prozent besaßen. Die 100 größten Money Managers Amerikas verwalten fast 60 Prozent der US-Aktien. Man braucht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher