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Anita Blake 04 - Giergige Schatten

Anita Blake 04 - Giergige Schatten

Titel: Anita Blake 04 - Giergige Schatten
Autoren: Laurell K. Hamilton
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hielt meine Hand weiter fest, und ich ließ ihn. Nach der Kälte draußen fühlte sich seine Haut sehr warm an. Ich dachte daran, ihn zu fragen, ob er die beiden älteren Leute gern gefressen hätte, ließ es aber bleiben. Ihm mörderische Absichten zu unterstellen, konnte uns den Abend verderben. Außerdem merkten die wenigstens Lykanthropen, wenn sie sich nicht wie Menschen benahmen. Wenn man sie darauf hinwies, wirkten sie immer gekränkt. Und ich wollte Richard nicht kränken.
    Als wir durch die inneren Glastüren die bevölkerte Vorhalle betraten, fragte ich: »Wo ist dein Mantel?« »Im Wagen. Ich wollte ihn nicht über dem Arm tragen, darum bin ich gerannt.«
    Ich nickte. Das war typisch für ihn. Oder vielleicht bekamen Lykanthropen keine Erkältung. Von hinten konnte ich sehen, dass er die Haare dicht am Kopf entlang geflochten hatte. Die Zopfspitze hing auf den Kragen hinab. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er das hingekriegt hatte. Wenn ich mich frisiere, tue ich nichts weiter, als mir die Haare zu waschen, ein bisschen Gel hineinzuschmieren und sie trocknen zu lassen. Von hochkomplexem Hairstyling habe ich keine Ahnung. Aber es würde vielleicht Spaß machen, nach der Vorstellung ganz gemächlich die Knoten zu lösen. Ich war immer bereit, mir neue Fertigkeiten anzueignen.
     
    Das Hauptfoyer des Fox ist eine Mischung aus einem sehr hübschen Chinarestaurant und einem Hindutempel mit einem Hauch Art Deco hier und da. Die Farben sind derartig grell, dass man meint, der Maler habe zermahlenes Buntglas verwendet, in dem das Licht eingefangen wird. Pitbullgroße chinesische Löwen mit glühend roten Augen bewachen eine geschwungene Treppe, die zum Balkon des Fox Club hinaufführt, wo man für fünfzehntausend Dollar Jahresgebühr wunderbare Menüs verzehren und eine private Loge bekommen kann. Wir Tagelöhner jedoch schieben uns Schulter an Schulter über den Teppichboden des Foyers, wo man uns Popcorn, Bretzeln, Pepsi und an manchen Abenden Hotdogs anbietet. Etwas ganz anderes als das Hühnchen-Cordon-bleu oder was sie sonst dort oben servieren.Das Fox bewegt sich auf dieser wunderbar schmalen Grenzlinie zwischen Geschmacklosigkeit und Überspanntheit. Ich liebe dieses Haus, seit ich es zum ersten Mal betreten habe. Bei jedem Besuch entdecke ich irgendein neues Wunder. Eine Farbe oder Schnitzerei oder eine Statue, die mir noch nicht aufgefallen ist. Wenn man weiß, dass es ursprünglich als Filmtheater gebaut wurde, merkt man, wie sehr sich die Dinge gewandelt haben. Kinos haben heute etwa so viel Ausstrahlung wie ungewaschene Socken. Dieses Haus dagegen ist so lebendig, wie nur die besten sein können.
    Ich musste Richards Hand loslassen, damit ich mir den Mantel aufknöpfen konnte, aber, Mensch, wir waren keine siamesischen Zwillinge. In dem Gedränge standen wir dicht beieinander, ohne uns zu berühren, aber ich spürte seine Körperwärme.
    »Wenn ich den Mantel ausziehe, werden wir aussehen wie die Bobsey-Zwillinge«, sagte ich. Er hob die Augenbrauen. Ich ließ ihn unter den Mantel blicken, und er lachte. Es war ein wohltuendes Lachen, warm und dick wie Weihnachtspudding.
    »Liegt an der Jahreszeit«, sagte er. Er zog mich in den Arm und drückte mich kurz, wie man es mit einem Freund macht, aber dann blieb sein Arm auf meiner Schulter liegen. Wir waren mit unserer Bekanntschaft noch nicht so weit fortgeschritten, sodass Berührungen noch neu, unerwartet, belebend waren. Wir suchten immerfort nach Gründen, einander anfassen zu dürfen. Versuchten, dann unbekümmert zu reagieren. Ohne einander zu täuschen. Waren unsicher, ob es etwas ausmachte. Ich schob einen Arm um seine Taille und kam ihm ein bisschen näher. Es war mein rechter Arm. Würden wir jetzt angegriffen, ich könnte keinesfalls rechtzeitig die Pistole ziehen. So blieb ich eine Minute lang und dachte, das könnte es wert sein. Dann ging ich um ihn herum und überließ ihm meine linke Hand.
    Ich weiß nicht, ob er die Waffe gesehen oder ihr Vorhandensein gefolgert hatte, jedenfalls riss er kurz die Augen auf, beugte sich dicht zu mir und flüsterte mir ins Haar: »Eine Pistole hier im Fox? Glaubst du, die Platzanweiser lassen dich rein?«
    »Voriges Mal haben sie.« Er bekam einen seltsamen Gesichtsausdruck. »Du gehst immer bewaffnet?« Ich zuckte die Achseln. »Nach Einbruch der Dunkelheit ja.«
    Er blickte ratlos, sagte aber nichts dazu. Im vorigen Jahr war ich abends einige Male unbewaffnet ausgegangen, aber dieses Jahr war ziemlich
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