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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
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unterhalten.«
    »Süßer Iovve ...«, wollte der massige Mann auffahren, aber ein gebieterischer Blick aus ihren Augen ließ ihn verstummen. »Gut, Ylenia, wie du wünschst«, sagte er lammfromm. »Fühle dich unter meinem Dach wie zu Hause.«
    »Danke, Joris«, erwiderte die Hexe hoheitsvoll. Sie nickte den anderen freundlich zu und schritt zur Tür.

    Die Geschwister versammelten sich weisungsgemäß am nächsten Vormittag vor der Tür zur Kammer ihrer Tante. Albuin klopfte mutig an, und dann harrten sie erwartungsvoll der Erlaubnis, eintreten zu dürfen.
    Ylenia hatte sich den Lehnstuhl ans Fenster gezogen und saß darin, ein schweres Buch auf dem Schoß, und auf dem Tischchen neben ihr flackerte ein Talglicht neben einer großen kristallenen Schale, die mit einer klaren, ölig schimmernden Flüssigkeit gefüllt war. Die Mädchen knicksten, und Albuin verbeugte sich mit allem höfischen Schliff, den Simon ihn gelehrt hatte. Ylenia ließ das Buch zuklappen und blickte die Geschwister an. Ida erwiderte die Musterung neugierig. Sie ließ ihre Blicke ungeniert über die hochgewachsene Gestalt ihrer Tante wandern. Die Hexe hatte ihre Reitkleidung gegen ein weich fallendes, helles Gewand getauscht, das in der Taille von einem kostbar bestickten silbernen Gürtel gehalten wurde. Die weiten Ärmel fielen über die schmalen Hände und ließen nur die obersten Glieder der langen Finger frei. An einer dünnen Silberkette um Ylenias Nacken baumelte ein kunstvoll verschlungenes, mit klaren Steinen und schimmernden Perlen besetztes Schmuckstück auf ihre Brust herab. Die Hexe bemerkte, wie Idas Blick voller Neugier über den Anhänger wanderte.
    »Das ist wunderschön«, sagte Ida verlegen. »Ist das eine Arbeit der Grennach?«
    Ylenia griff nach dem Schmuckstück und tastete über die kostbaren Steine, die in filigrane Windungen feinsten Silberdrahtes gefasst waren. »Richtig«, erwiderte sie mit leiser Überraschung. »Das ist eine uralte Nachbildung eines der mächtigsten Gegenstände der Weißen Magie. Ich werde dir davon erzählen, wenn es dich interessiert. Aber zuerst sollten wir uns um die Angelegenheit kümmern, um derentwillen ich zu euch gekommen bin.«
    Sie legte das Buch fort und winkte Amali zu sich, die zaudernd gehorchte. »Hab keine Angst, Kind. Es wird dir nichts geschehen, wenn du nur tust, was ich dir sage.« Die Stimme der Hexe war sanft und beruhigend. Amalis ängstliche Miene glättete sich unter den leisen Worten. »Setz dich her zu mir«, gebot Ylenia und wies auf den gepolsterten Schemel zu ihren Füßen. Sie legte mit einer liebevollen Geste eine Hand auf den Scheitel des jungen Mädchens und neigte sich zu ihr hinab. »Gib mir nun deine Hände, sei ohne Furcht«, hauchte sie. Amali sah in die Augen der Hexe und überließ ihre rundlichen Hände vertrauensvoll dem sanften Griff Ylenias. Beide saßen eine Weile regungslos da, dann seufzte die Frau leise. Ihr Blick, der so fern gewesen war wie die nächtlichen Sterne, kehrte zurück zum Gesicht des Mädchens. Sie lächelte Amali an und strich ihr sacht über die runde Wange.
    »Du hast die Kräfte der Erde«, sagte sie freundlich. »Sie sind zwar nur schwach, aber du wirst immer eine glückliche Hand mit allem haben, was wächst und blüht. Und wenn du dich von einer Heilerin unterrichten lässt, wirst du vielleicht auch darin Geschick erlangen. Freue dich, Kind, das sind nützliche Fähigkeiten für die Ehefrau eines Lords und die Herrin über sein Gesinde.« Amali errötete vor Freude und begann, ihrer Tante zu danken. Ylenia schüttelte leise tadelnd den Kopf. »Danke nicht mir, ich habe dir diese Kräfte nicht gegeben. Nutze sie gut, denn damit dankst du den Schöpfern.«
    Sie wandte sich Albuin zu, der mit weit aufgerissenen Augen den Vorgang beobachtet hatte und nun versuchte, sich einen unbeteiligten Anschein zu geben. »Du weißt etwas mehr über Magie als deine Schwester, nicht wahr?« Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern hielt ihm gleich auffordernd ihre Hände entgegen. Albuin kniete auf dem Schemel nieder und senkte den Kopf. »Sieh mich an, Junge«, befahl Ylenia scharf. Er riss den Kopf hoch, und sie fing seinen Blick ein. Seine Augenlider flatterten. Er versuchte, ihr auszuweichen, aber das bernsteinfarbene Aufblitzen in ihren Augen ließ seinen Widerstand erlahmen. Sein Gesicht erschlaffte, und er sah mit einem Mal geradezu dümmlich drein.
    »Ah, ja«, flüsterte Ylenia nach einer langen Weile. »Das ist bedauerlich.« Sie ließ
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