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Angst in deinen Augen

Angst in deinen Augen

Titel: Angst in deinen Augen
Autoren: Tess Gerritsen
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raten. Wenn ich mich irre …“ Er atmete laut aus. „Aber wir werden es sehr schnell wissen.“ Er erfasste mit der Kneifzange den weißen Draht. „Okay, ich tippe auf diesen hier.“
    „Warte.“
    „Was ist?“
    „Als Spectre es zusammengebaut hat, habe ich gesehen, wie er einen weißen Draht mit einem roten zusammengelötet hat und das ganz mit grünem Isolierband umwickelt hat. Spielt das irgendeine Rolle?“
    Sam starrte auf das weiße Kabel, das er sich gerade anschickte durchzuschneiden. „Oh ja“, sagte er leise. „Und was für eine.“
    „Sam!“, kam Gillis Schrei durch ein Megafon. „Du hast noch zehn Sekunden!“
    Zehn Sekunden, um wegzurennen.
    Sam rannte nicht weg. Er zog ein schwarzes Kabel heraus und setzte die Zange an. Dann hielt er inne und schaute Nina an.
    Sie blickten sich ein letztes Mal tief in die Augen.
    „Ich liebe dich“, sagte er.
    Sie nickte mit tränenüberströmtem Gesicht. „Ich liebe dich auch“, flüsterte sie.
    Sie schauten sich immer noch an, als er langsam zudrückte. Auch als die Zange sich in die Plastikumhüllung grub, ließen sich ihre Blicke nicht los.
    Das Kabel fiel in zwei Teile auseinander.
    Einen Moment lang bewegte sich keiner von beiden. Sie waren immer noch erstarrt, wie gelähmt von dem Gedanken an den sicheren Tod.
    Dann schrie Gillis von draußen: „Sam? Der Countdown ist abgelaufen. Sam! “
    Sam zerschnitt vorsichtig Ninas Fesseln. Ihre Fußgelenke waren zu taub, als dass sie hätte stehen können, aber das war auch nicht nötig. Sam hob sie hoch und trug sie aus der Lagerhalle, hinaus in die Nacht.
    Die Straße draußen war hell erleuchtet von den kreisenden Warnlichtern der Einsatzfahrzeuge; Polizeiautos, Rettungswagen und Feuerwehr. Sam duckte sich mit ihr unter der gelben Polizeiabsperrung hindurch und stellte sie dann auf die Füße.
    Sofort waren sie von einer Menge umringt, darunter Chief Coopersmith und Staatsanwalt Liddell, die alle wissen wollten, was mit der Bombe war. Sam nahm keine Notiz von ihnen. Er hatte Nina die Arme um die Schultern gelegt und versuchte, sie von dem Chaos abzuschirmen.
    „Alle zurücktreten!“, brüllte Gillis. „Macht doch mal Platz!“ Er drehte sich zu Sam um. „Was ist mit der Bombe? Was ist passiert, um Gottes Willen?“
    „Entschärft“, sagte Sam. „Aber sei vorsichtig. Spectre könnte uns noch eine letzte Überraschung hinterlassen haben.“
    „Ich kümmere mich darum.“ Gillis ging auf die Lagerhalle zu, dann drehte er sich noch einmal um. „He, Sam?“
    „Ja?“
    „Ich würde sagen, du hast dir deinen Pensionsanspruch redlich verdient.“ Gillis grinste. Und dann ging er weg.
    Nina schaute zu Sam auf. Obwohl die Gefahr vorüber war, spürte sie noch immer sein Herz hämmern, und ihr eigenes hämmerte genauso wild.
    „Du bist bei mir geblieben“, flüsterte sie, während ihr die Tränen übers Gesicht strömten. „Du hättest weggehen können …“
    „Nein, das hätte ich nicht.“
    „Ich habe dir mehrmals gesagt, dass du gehen sollst. Ich wollte, dass du gehst.“
    „Und ich wollte bleiben.“ Er umrahmte ihr Gesicht mit den Händen. Fest. Innig. „Es gab keinen anderen Ort, wo ich in diesem Moment hätte sein wollen, Nina. Ich will nie wieder woanders sein als bei dir.“
    Sie wusste, dass unzählige Augenpaare sie beobachteten. Mittlerweile waren die Medienberichterstatter eingetroffen, Kameras surrten, Blitzlichter flammten auf, und alle schrien ihre Fragen wild durcheinander. Die Nachtluft war mit Stimmengewirr erfüllt, und bunte Lichter zerschnitten die Dunkelheit. Aber in diesem Moment, in dem er sie hielt und küsste, als sie sich küssten, existierte für sie nichts auf der Welt außer Sam.
    Und als der Tag anbrach, hielt er sie noch immer.
     
    – ENDE –
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