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Angst in deinen Augen

Angst in deinen Augen

Titel: Angst in deinen Augen
Autoren: Tess Gerritsen
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zu schaffen machen. Er wird sich den Kopf zerbrechen, was das Gewirr zu bedeuten hat.“ Er lötete zwei Kabelenden zusammen. „Und die Zeit verstreicht gnadenlos. Minuten, dann Sekunden. Welches Kabel ist das entscheidende? Welches soll er durchschneiden? Wenn er das falsche erwischt, geht alles in Rauch auf. Die Lagerhalle. Sie. Und er selbst … falls seine Nerven gut genug sind, um es bis zum Ende durchzustehen. Es ist ein hoffnungsloses Dilemma, wie Sie sehen. Wenn er bleibt, um die Bombe zu entschärfen, könnten Sie beide sterben, wenn er feige ist und wegrennt, sterben Sie, und er hat sein ganzes Leben an seinen Schuldgefühlen zu tragen. So oder so, Sam Navarro wird leiden. Und ich werde gewinnen.“
    „Sie können nicht gewinnen.“
    „Ersparen Sie mir Ihre moralinsauren Warnungen. Ich habe zu tun. Und nicht mehr viel Zeit.“ Er vernetzte die Kabel mit den anderen Dynamitpäckchen.
    Nicht mehr viel Zeit, hatte er gesagt. Aber von wie viel Zeit sprach er?
    Sie schaute auf die Gegenstände auf dem Boden. Ein digitaler Zeitschalter. Ein Sender, der den Countdown auslöste, wie sie wusste. Spectre würde sich längst in Sicherheit gebracht haben, wenn die Sprengladungen hochgingen.
    Bleib weg, Sam. Bitte, bleib weg und sieh zu, dass du am Leben bleibst.
    Spectre erhob sich und schaute auf seine Armbanduhr. „Noch eine Stunde, dann müsste ich eigentlich so weit sein, um anrufen zu können.“ Er schaute sie an und lächelte. „Drei Uhr morgens, Miss Cormier. Eine ebenso gute Uhrzeit wie jede andere auch, um zu sterben, meinen Sie nicht?“
    Die Frau war von der Taille abwärts nackt, sie lag zusammengekrümmt auf dem Holzfußboden. Auf sie war geschossen worden, in den Kopf.
    „Die Meldung kam um 22:45 rein“, sagte Yeats vom Morddezernat. „Der Mieter einen Stock tiefer entdeckte, dass Blut durch die Decke sickerte, und rief die Vermieterin an. Sie öffnete mit einem Zweitschlüssel die Tür, sah die Leiche und benachrichtigte uns. Wir haben die Ausweispapiere des Opfers in der Handtasche gefunden. Deshalb haben wir Sie angerufen.“
    „Irgendwelche Zeugen? Hat irgendjemand etwas gesehen oder gehört?“, fragte Gillis.
    „Nein. Er muss einen Schalldämpfer benutzt haben und dann unbemerkt verschwunden sein.“
    Sam schaute sich in dem kärglich möblierten Zimmer um. Die Wände waren nackt, die Schränke halb leer, und auf dem Boden standen Kleiderkartons, alles Anzeichen dafür, dass Marilyn Dukoff hier noch nicht lange wohnte.
    Yeats bestätigte es. „Sie ist erst einen Tag vorher eingezogen, unter dem Namen Marilyn Brown. Die Kaution und die erste Monatsmiete hat sie in bar bezahlt. Mehr konnte mir die Vermieterin nicht sagen.“
    „Der Nachbar hat gestern einen Mann sprechen hören, aber er hat ihn nicht gesehen.“
    „Spectre“, sagte Sam und ließ seinen Blick erneut über die Leiche wandern. Die Leute von der Spurensicherung waren dabei, den Raum durchzukämmen. Sam wusste bereits, dass sie nichts finden würden, dafür hatte Spectre gewiss gesorgt. Er hatte alles sehr gut geplant.
    Es hatte keinen Zweck, hier noch herumzustehen. Als er sich zum Gehen wandte, hörte er einen der Detectives sagen: „In der Handtasche ist nicht viel. Eine Geldbörse, Schlüssel, ein paar Rechnungen …“
    „Was für Rechnungen?“, fragte Sam.
    „Strom, Telefon, Wasser. Sieht aus, als wären sie aus der alten Wohnung. Sie sind auf den Namen Dukoff ausgestellt. Adressiert an ein Postfach.“
    „Kann ich die Telefonrechnung mal sehen?“
    Beim ersten Blick auf die Rechnung unterdrückte Sam nur mit Mühe ein frustriertes Aufstöhnen. Sie war zwei Seiten lang und wies fast nur Ferngespräche auf, die meisten davon nach Bangor, ein paar nach Massachusetts und Florida. Es würde Stunden dauern, all diese Nummern zurückzuverfolgen, und es gab gute Chancen, dass es sich bei den Teilnehmern nur um Bekannte oder Verwandte von Marilyn Dukoff handelte.
    Dann erfasste sein Blick eine Nummer ziemlich weit unten auf der ersten Seite. Sie hatte die Vorwahl von South Portland, trug das Datum von vor anderthalb Wochen und die Uhrzeit 22:17. Irgendjemand hatte angerufen, und Marilyn Dukoff hatte die Kosten übernommen.
    „Das könnte etwas sein“, sagte Sam. „Ich muss wissen, auf welchen Namen der Anschluss läuft.“
    Zwanzig Minuten später waren er und Gillis an der Ecke Hardwick und Calderwood, einer Industriegegend. Verlassene Parkplätze, eine Möbelfabrik, ein Holzhändler, eine Fabrik für Schiffsteile.
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