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Andalusisches Feuer

Andalusisches Feuer

Titel: Andalusisches Feuer
Autoren: Lynne Graham
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rollte sich auf ihrer Seite zusammen, so weit entfernt von ihm wie möglich, und zog sich die Decke über den Kopf.
    Einige Tage vergingen, und Sarah verbrachte viel Zeit bei der kranken alten Dame.
    „Du solltest an den Abenden mit Rafael zusammen sein, nicht mit mir“, sagte Doña Isabel ganz unerwartet.
    Sarah, die wie so oft nach dem Dinner bei ihr saß, erstarrte. „Meistens arbeitet er lange im Atelier.“
    „Consuelo hat mir berichtet, dass er auch oft dort schläft.“
    „Er malt“, antwortete die junge Frau kurz angebunden.
    „Ich denke, er ist rastlos und unzufrieden. Das ist nicht gut. Rafael muss man sehr vorsichtig führen. Eine clevere Frau würde ihn nie merken lassen, dass sie ihn lenkt“, mahnte seine Großmutter bedeutungsvoll.
    So schlecht, wie er im Moment gestimmt ist, würde ich mich ihm nur mit einer geladenen Pistole nähern, dachte Sarah. Die offenen Worte Doña Isabels hatten sie unvorbereitet getroffen, obwohl sie im Lauf der letzten zwei Wochen recht gut mit ihr vertraut geworden war. Die alte Dame hatte ihr Leben lang die Familie beherrscht. Zwar machte sie nicht den Fehler, auch ihren Enkel dominieren zu wollen, doch vor einem freimütigen Gespräch mit Sarah schreckte sie nicht zurück.
    „Wir waren so lange getrennt und haben … Startschwierigkeiten“, erklärte Sarah ihr tapfer.
    „Du solltest sie schnell beheben. Ich habe gehört, dass Rafael seine Nächte mit einer Flasche Tequila verbringt. Er sollte sie mit seiner Frau verbringen.“
    Demütigung ließ Sarahs Wangen erglühen. Das war alles Rafaels Schuld, und sie beabsichtigte, ihm genau das zu sagen. „Sie wollen andeuten, dass er trinkt?“
    Die Kranke bedachte sie mit einem vorwurfsvollen Blick. „So war das nicht gemeint. Rafael ist nicht alkoholabhängig. Aber … da ist etwas Wildes in ihm, eine Düsternis, die keines meiner Kinder zeigte. Er empfindet alles ganz intensiv. Vermutlich hat er das von seiner Mutter geerbt. Ich mache mir Sorgen.“
    Auf Wunsch Doña Isabels holte Sarah die Schwester und ging dann ziellos in den anderen Gebäudeflügel zurück. Consuelo räumte gerade die Kaffeetassen aus der sala. Rafael hatte seine nicht einmal berührt. Sobald die Zwillinge im Bett waren, verschwand er. Gespräche beim Dinner, sofern überhaupt gesprochen wurde, drehten sich um die Kinder oder streng unpersönliche Themen, Wichtiges wurde gemieden. Wenn er zu Bett kam, sofern er das überhaupt tat, war es weit nach Mitternacht, und bei Sonnenaufgang erhob er sich schon wieder.
    Die Tage hingegen waren angefüllt mit umtriebigen Familienausflügen. Rafael hatte ihnen das gesamte Anwesen gezeigt. Dann hatten sie Granada und die Alhambra besichtigt. Von dort aus konnte man über die fruchtbare Hochebene bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Sierra Nevada sehen. Beim Bummel durch die Winkel des weißen maurischen Viertels war es Rafael gelungen, der Geschichte seiner Heimat mit seinen Erzählungen Leben einzuhauchen. Sarah hatte sich bei einem weiteren Ausflug in die romantischen Patios, die Innenhöfe, verliebt, auf die man bei einem Bummel durch die blumengeschmückten engen Gassen Córdobas auf Schritt und Tritt stieß. Die Zwillinge hatten viel Spaß an einer Flussfahrt auf dem Guadalquivir, vorbei an Olivenhainen und Weinbergen. Wenn die Kinder dabei waren, zeigte sich ihr Vater von seiner charmantesten, liebevollsten und lustigsten Seite. Gilly und Ben wären nie auf die Idee gekommen, dass ihre Eltern Probleme hatten, aber Sarah wurde sich ihrer Situation jedes Mal bewusst, wenn Rafael sie ansah, ohne sie wahrzunehmen, wenn er vorsichtig vermied, sie zu berühren.
    Sie hatte den größten Fehler ihres Lebens gemacht, als sie sich in jener Nacht von ihm abwandte. Im Nachhinein erkannte sie, dass sie zu dem Zeitpunkt bereits begonnen hatten, sich näherzukommen, näher als je zuvor. All die Streitigkeiten und hitzigen Argumente waren nicht böse gemeint, sondern nur ein Ventil dafür gewesen, das zu sagen, was sie schon so lange äußern wollten, sich aber nie getraut hatten. Doch dann hatte sie sich in Selbstmitleid und Groll vergraben.
    Und letztendlich verstand sie auch sich selbst inzwischen besser. Sie hatte sich sicherer gefühlt, wenn sie Rafael emotional auf Abstand hielt. Er aber war zu schnell vorgeprescht, viel zu schnell, hatte sie bedrängt. Und ihre Fantasie war mit ihr durchgegangen. Wie war sie nur auf die Idee gekommen, er könne eine andere lieben? Hatte sie etwa inzwischen gelernt, Gedanken
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