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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände
Autoren: Alexandra Marinina
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der ein gewaltiges Vorhängeschloss hing.
    »Nehmen Sie den Hund weg«, sagte sie unwillig.
    »Keine Angst, der tut nichts, der ist lieb«, antwortete der Wächter und sah Nastja irgendwie seltsam an.
    Der Hund knurrte lauter. Nastja sah hilflos zum Gallier, der mit dem Rücken zu ihr auf der Treppe stand und die Tür aufschloss.
    »Nun nehmen Sie doch endlich den Hund weg«, sagte sie, bereits nervöser.
    Der Gallier drehte sich neugierig um. Sein Gesicht spiegelte unverhohlene Schadenfreude.
    »Nur keine Angst, er beißt nicht. Du gefällst ihm bloß nicht, solche gemeinen Luder wie dich wittert er auf einen Kilometer«, höhnte er.
    Der Hundehalter beobachtete sie gleichmütig, ohne das geringste Mitgefühl für Nastjas Lage.
    Nastja machte noch einen Schritt nach rechts, und der Hund folgte ihr sofort.
    »Komm ins Haus«, forderte der Gallier sie auf.
    »Ich kann nicht, ich hab Angst vor ihm«, jammerte Nastja und bewegte sich weiter nach rechts, in Richtung Schuppen. Der Hund, der dicht an ihr dranblieb, begann plötzlich laut und wütend zu bellen.
    »He, Mann«, sagte der Gallier auf einmal böse, »pfeif deinen Köter zurück. Schluss jetzt mit den Faxen.«
    Bis zum Schuppen waren es nur noch wenige Schritte. Nastja stürzte Hals über Kopf zur Eisentür, rammte die Schulter mir voller Wucht dagegen und fiel ins Dunkel . . .
    Der Rest ging schnell, still und routiniert vor sich. Die Operation, an der sie über zwei Wochen gearbeitet hatten, wurde binnen weniger Minuten und ohne einen einzigen Schuss beendet.
    Nastja kam zu sich, als ein heißer Atem ihr ins Gesicht schlug. Sie streckte die Hand aus, ertastete eine Hundeflanke, und eine raue Zunge leckte ihre Wange. Sie richtete sich mühsam auf. Die Schulter, mit der sie gegen die Eisentür angerannt war, tat unerträglich weh. Dumme Kuh, beschimpfte sie sich, hättest dir doch denken können, dass ein leichter Stoß genügt. Beim Fallen hatte sie sich das Knie aufgeschlagen und sich außerdem einen Absatz abgebrochen.
    Nastja sah vorsichtig hinaus. Der Gallier wurde in Handschellen ins Auto gesetzt. Wie lange lag sie schon in diesem Schuppen? Sie ging hinaus und setzte sich auf die Erde, betrachtete wehmütig den kaputten Schuh und das blutende Knie. Außerdem schien sie sich auch noch den Kopf gestoßen zu haben.
    »Na, sichten Sie Ihre Blessuren?«, fragte eine spöttische Stimme neben ihr.
    Sie hob den Kopf und erblickte den humpelnden Wächter. Nastja lächelte gequält.
    »Ein braves Tier, Ihr Hund. Er war ungezogen, aber er hat sich dafür entschuldigt.«
    »Er war nicht ungezogen«, erwiderte der Wächter irgendwie sehr ernst. »Er hört aufs Wort. Wir beide verstehen uns perfekt.«
    Nastja riss die Augen auf.
    »Sie meinen . . . Natürlich, da hätte ich auch selber drauf kommen können.«
    Mit gespielter Wut schleuderte sie den Schuh auf den Boden, wollte lachen und weinte auf einmal hemmungslos. Ein klassischer hysterischer Anfall, den nach langer Anspannung der kleinste emotionale Anstoß auslösen kann. Tränen liefen ihr über das Gesicht, ihre Schultern bebten, sie schluchzte, umschlang den Hals des »Wächters« und presste ihr Gesicht an seine Brust.
    »Na, na, beruhige dich, beruhige dich«, redete er sanft auf Nastja ein und streichelte ihr den Rücken. »Es ist alles vorbei, es ist alles gut. Du hast dich prima gehalten. Na komm, meine Gute, hör auf zu weinen, sieh mal, da kommt dein Chef. Komm, meine Gute, wisch dir die Tränen ab.«
    »Du solltest Kinder hüten«, hörte Nastja Gordejew müde sagen. »Wo hast du so gut gelernt, Mädchen zu trösten?«
    »Ich habe mein Leben lang mit Hunden zu tun, Viktor Alexejewitsch. Manchmal muss man ein Tier beruhigen, und da muss man sich eben was einfallen lassen. Auf manchen Hund habe ich schon eine geschlagene Stunde einreden müssen.«
    Nastja schniefte und riss sich von der behaglichen breiten Brust los. Gordejew stieß einen Pfiff aus.
    »Na, du siehst ja gut aus, Anastasija! Hast du einen Spiegel? Wo ist deine Handtasche?«
    »Bestimmt noch im Schuppen.«
    »Kyrill, hol bitte die Handtasche«, bat der »Wächter« leise.
    Gemächlich kam der Hund aus dem Schuppen, die Handtasche akkurat im Maul.
    »Einen komischen Namen hat dein Hund«, sagte der Oberst. »Ist doch eigentlich unüblich, ihnen Menschennamen zu geben.«
    »Der Name in seinem Stammbaum, da braucht man eine Woche, um den auszusprechen.« Der Wächter winkte ab.
    »Übrigens, Anastasija, macht euch bekannt, das ist Andrej
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