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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände
Autoren: Alexandra Marinina
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Jahren!«, tobte der Ältere.
    »Am ersten Juli wurden die Preise erhöht! Auf das Zweikommasiebenfache! Da hängt die Mitteilung, können Sie nicht lesen, oder was?«, rief ein junger Bursche in Shorts und T-Shirt.
    »Na eben, auf das Zweikommasiebenfache. Warum hat sie mir dann sieben sechsundfünfzig abgeknöpft?« Der erste Mann wollte nicht aufgeben.
    Nastja teilte im Kopf mechanisch den neuen Preis durch den alten: Genau zwei Komma sieben. Dieser Streithammel rennt eine offene Tür ein, dachte sie und musste lächeln.
    »Sie können sich noch immer nicht an die steigenden Preise gewöhnen«, sagte sie und verstummte. Auf einmal fühlte sie sich leicht und ruhig. Sie wusste jetzt, was sie zu tun hatte. Sie musste nach einer verschlossenen Tür suchen.
    Lange liefen sie an einem Birkenwäldchen entlang, passierten die Siedlung, bis sie schließlich zu den Datschas kamen. Der Gallier führte sie zielstrebig durch eine Gartenpforte und steuerte auf ein solides einstöckiges Holzhaus zu. Auf dem weitläufigen Grundstück befanden sich außer dem Haus noch eine aus Ziegeln gemauerte Garage und ein Schuppen mit einem Blechdach und einer Eisentür.
    Vom Nachbargrundstück kam ein verlottert aussehender Mann mit einem großen Schäferhund auf sie zu. Er zog ein Bein leicht nach. Sein Gesicht mit dem Zweitagebart wirkte müde und versoffen. Der Hund passte zu ihm: ungepflegt, schmutzig, mit kahlen Stellen an der Flanke.
    »Guten Morgen«, grüßte der Gallier höflich.
    »Grüß dich«, brummte der Mann. »Hast du dir eine Puppe mitgebracht? Oder ist die für den Hausherrn?« Er zwinkerte anzüglich und hustete heiser.
    »Alexander Jewgenjewitsch hat gesagt, wir sollen früh hier sein. Schließ auf, wir warten hier auf ihn«, sagte der Gallier in festem Ton.
    »Mach ich, klar doch, wenn der Hausherr es gesagt hat.« Der Mann nickte zustimmend.
    Der Hund blieb stehen, knurrte und bleckte die Zähne.
    »Na, na, ganz ruhig«, beruhigte ihn der Wächter. »Erkennst du deine Leute nicht mehr? Er war doch gestern schon mal hier.«
    Ein merkwürdiger Hund, dachte Nastja. Er sieht alt und krank aus, aber Augen und Zähne sind jung. Außerdem ist er reinrassig, auch wenn er mehr Dreck auf dem Leib hat als Fell.
    Sie warf einen prüfenden Blick über das Grundstück -man konnte sich nirgends verstecken, die Nachbardatschas waren weit entfernt, alle Zugänge waren einzusehen. Wo waren sie? Etwa im Haus? In diesem Fall würde der Gallier, sobald er etwas Verdächtiges spürte, auch nur das leiseste Geräusch hörte, sie als Geisel nehmen. Deshalb durfte er sie keinen Schritt von seiner Seite weichen lassen.
    Was hatte er gesagt, dieser verlotterte Wächter? Dass der Gallier gestern schon mal hier war. Also hatte sie richtig vermutet. Er war hier gewesen, um alles zu erkunden, um das Arrangement zu planen. Pawlows Leiche, die Leiche der Erpresserin, und daneben die Beweise. Pawlow hatte die Erpresserin getötet und dann, als er begriffen hatte, was er da angerichtet, dass er einen zweiten Mord begangen hatte, sich selbst getötet. Aber was hatte er mit dem Wächter vor? Das war doch ein Zeuge. Wahrscheinlich wird er mich töten, so tun, als ginge er wieder, sich von ihm verabschieden und dann heimlich zurückkommen. Nicht umsonst hat er sich gestern hier umgesehen, alle Wege und Schleichwege erkundet. Irgendwo musste eine verschlossene Tür sein. Wo?
    Der Wächter setzte sich auf eine Bank und kramte Schlüssel heraus.
    »Hier, nimm.« Er reichte dem Gallier ein Schlüsselbund. »Schließ selber auf. Mit fällt das Treppensteigen schwer.«
    »Komm.« Der Gallier nickte Nastja zu.
    Ich darf nicht ins Haus gehen. Auf keinen Fall. Wenn sie dort sitzen, könnte ich sie stören. Entweder er packt mich und nimmt mich als Geisel, oder ich stehe mitten in der Schusslinie. Was mache ich bloß? Nastja überlegte fieberhaft. Wie kann ich draußen bleiben, ohne seinen Verdacht zu erregen? Und wo ist die verschlossene Tür? Wo nur?
    Nastja vernahm links von sich drohendes Knurren. Der Hund war dicht neben ihr und wirkte nicht gerade freundlich. Nastja blickte mechanisch nach rechts, auf der Suche nach einem Fluchtweg vor dem feindlich gesonnenen Tier. Sie hatte eigentlich keine Angst vor Hunden und fand mit ihnen immer eine gemeinsame Sprache. Aber dieser Hund flößte ihr kein Vertrauen ein.
    Sie rückte vorsichtig ein Stück nach rechts und sah sich erneut um. Etwa zweihundert Meter entfernt erspähte sie die grüne Eisentür des Schuppens, an
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