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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
Autoren: Alexandra Marinina
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Adreßbüchlein und wählte erneut eine Nummer. Als sich jemand meldete, sagte er kurz:
    »Hier Marzew. Ich bin einverstanden.«
    Und schließlich ein letzter Anruf.
    »Mama? Grüß dich. Wie geht’s dir?«
    * * *
    Nach der Arbeit legte Shenja Schachnowitsch, ein sympathischer Blonder mit helleuchtenden Augen, der in der ›Doline‹ als Elektriker angestellt war, den Plan für die nächsten Tage fest. Trotz seines äußerlich recht sorglos wirkenden Lebenswandels war er ein schrecklicher Systematiker, manchmal bis zur Pedanterie, er machte alles am liebsten nach Plan.
    Also, Punkt eins, die Frauen. Mit dem Ende der Sommersaison kamen deutlich mehr jüngere Leute ins Sanatorium. Dies bedeutete einerseits, daß es mehr junge Frauen gab, die man anbaggern konnte. Andererseits gab es auch mehr Männer im passenden Alter, die sich als nützlich erweisen konnten. Das Wichtigste war – seine Kräfte gezielt einzusetzen.
    Bis jetzt belief sich die Zahl der Frauen, die der näheren Aufmerksamkeit des energischen Elektrikers noch entgangen waren, auf vierundzwanzig. Davon waren fünfzehn auf jeden Fall – klasse, sechs – nicht übel, nach Shenjas Maßstäben, und die restlichen drei – Schreckschrauben. Allerdings wählte er das Objekt seiner Begierde nicht nach äußerlichen Kriterien. Nachdem er im Kopf alle Kandidatinnen durchgegangen war, vergewisserte er sich auf der vor ihm liegenden Liste und kreuzte vier Personen an.
    Die erste – ein ganz junges rothaariges Ding mit zauberhaften Sommersprossen, wohnte in einem Zweibettzimmer neben einer Suite ›Deluxe‹.
    Die zweite – eine auffällige Brünette, so um die fünfunddreißig, mit teuren Brillanten an Ohren und Fingern. Bei der würde es ganz einfach, dachte Shenja: In einem Sanatorium Brillanten zu tragen, zeugte nicht von Intelligenz.
    Die dritte – eine unansehnliche Blondine, unbestimmtes Alter, putzt sich nicht heraus, schminkt sich nicht. Wahrscheinlich eine alte Jungfer. Die haben oft eine gute Beobachtungsgabe und eine böse Zunge. Um die müßte man sich wohl als erste kümmern.
    Das vierte ›Opfer‹ von Schachnowitsch erholte sich in der ›Doline‹ zusammen mit ihrer Mutter. Eigentlich interessierte Shenja gerade die Mutter, die tagelang in ein Plaid gehüllt auf einer Chaiselongue auf dem Balkon saß und dabei höchstwahrscheinlich so manch Interessantes mitbekommen hatte.
    Jetzt zu den Männern. Er mußte zwei aussuchen, die getrennt gekommen waren, aber in einem Zimmer untergebracht waren. Shenja brauchte für seine Zwecke zwei Männer, die sich vorher nicht gekannt, im Sanatorium aber inzwischen soweit Bekanntschaft geschlossen hatten, daß sie die Zeit gern gemeinsam verbrachten. Und dann würden sie wieder abreisen und, wie hieß es so schön: aus den Augen, aus dem Sinn. Bei seiner Beobachtung der Kurgäste hatte Schachnowitsch bereits Vorüberlegungen angestellt, jetzt mußte er sich nur noch entscheiden. Er gab sich noch ein paar Minuten Bedenkzeit, sah zur Sicherheit noch einmal auf den Etagenplan, dann packte Shenja seinen Werkzeugkoffer und machte sich entschlossenen Schritts auf den Weg zu Zimmer 240.
    * * *
    Den einen Absatz machte Nastja noch fertig, dann griff sie nach ihrer Uhr. Womöglich war es schon Zeit zum Abendessen? Sie hatte Hunger. Die Uhr lag nicht da. Sie durchwühlte das viele Papier auf dem Tisch, sah im Nachttisch nach, suchte in ihren Hosentaschen – nichts. Sie dachte sich, vielleicht sei die Uhr zu Boden gefallen, und vorsichtig – eine Hand im Rücken, die andere am Stuhl – ließ sie sich auf die Knie und guckte unter den Tisch. Aber dort war die Uhr auch nicht zu entdecken. Dafür bemerkte sie ganz in der Ecke neben dem Tischbein eine Telefonbuchse. Offensichtlich war in der ›Doline‹ doch nicht alles aus der Zeit der ›Stagnation‹ erhalten geblieben. Die Telefone hatte man immerhin aus den Zimmern entfernt. Wo war bloß die Uhr? Wahrscheinlich hatte sie sie im Massageraum liegenlassen. Ja, bestimmt war sie dort.
    Nastja öffnete die Balkontür, um den Zigarettenqualm zu vertreiben, dann sperrte sie das Zimmer hinter sich ab und ging über eine verglaste Galerie in den Nebentrakt, wo sich die Behandlungsräume und das Schwimmbad befanden. Der Massageraum war abgeschlossen. Der Wachmann, der unten saß, erklärte, daß der Masseur bis 16 Uhr arbeite, aber das Zimmer ohne dessen Zustimmung aufzuschließen, das ginge nicht, obwohl er als Wachmann natürlich einen Schlüssel habe. Nastja mußte innerlich
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